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Canal de l'est branche sud, Vogesenkanal

 

Der Canal de l Žest branche sud ist 121 km lang mit 93 Schleusen. Doch nicht genug. Wir planen einen Abstecher nach Epinal. Daran kann uns weder Sauwetter noch Klumpfuß hindern. Tatsächlich treffen wir Hugo und Rosi wieder zu einem Gedankenaustausch in netter Runde.



Zwei Briefe habe ich schon an unsere Bekannten verschickt, doch die Resonanz ist dünn. Ich bin ernstlich besorgt. Was kann ich schreiben, das Wassersportler und Landratten gleichermaßen interessiert. Manfred meint: "Halte die Briefe so kurz wie möglich." Ich bemühe mich. Mein Drucker bringt mich zum Wahnsinn. Er will einfach nicht mitspielen. Mal druckt er, dann wieder nicht, oder der PC sagt er hätte keinen Drucker. Hätte ich nicht vielen versprochen zu schreiben, jetzt würde ich es aufstecken. Ich fühle Hysterie in mir aufsteigen, da nehmen wir Drucker und Laptop und lassen alles im Fachgeschäft kontrollieren. Vorführeffekt, das blöde Ding funktioniert einwandfrei. "Warum halst sich ein normaler Mensch in seiner Freizeit so eine Arbeit auf?" Tja, warum? Kommunikationsbedürfnis? Vielleicht!

Im Hinterland regnet es. Donnergrollen hörst du nachts in der Ferne. Wir bleiben glücklicherweise verschont. Doch das Wasser steigt im Kanal. An den mit Gras bewachsenen Ufern kannst du nicht erkennen wie viel. Unter mancher Brücke hat unser Höhenmesser Berührung. Ein bisschen Gas geben, das Heck zieht sich nach unten und schon sind wir drunter durch. Leichtsinnig? Na ja!

Die Schleusen sind randvoll. Ständig muss ich den Bugfender ablassen und hoch holen. Das ist lästig.
"Bitte blase unsere Zusatzfender auf, die brauch ich jetzt."
"Fahr du langsam weiter."
Ich fahre langsam weiter. Vor uns eine Brücke. Eine Engstelle davor, eine S-Kurve dahinter.
"Spatzel guck mal, die ist aber sehr flach."
"Fahr weiter," knurrt er.
Ich fahre weiter.
Unser Höhenmesser biegt sich verdächtig um.
"Manfred, guck, extrem flach."
Sein wilder Blick sagt mir, das reicht nicht.
Da haut er die Gashebel auf den Tisch. Der Bug hebt sich extrem, das Heck zieht sich ins Wasser. Unser Verdeck ist gerettet.
Aber vorne!!
Der Mast bekommt soviel Schwung, dass er sich aufrichtet. In Abständen von einem Meter sind Stahlträger unter der Brücke. Gegen jeden Träger knallt der Mast. Erst kommt das Toplicht, wie ein Geschoss, teilt sich in der Luft. Ich ziehe Genick ein, klammere mich ans Steuerrad, mach einen Buckel wie eine Raupe. Jetzt kommt das Ankerlicht, der nächste Treffer ist die Mastspitze. Holz splittert, die Splitter schießen heran wie tollwütige Hornissen, Salingsdrähte mit Franzosengastflagge donnern übers Boot. Luft anhalten! Uff! Wir sind drunter durch! Immer noch Vollgas vor der Kurve.
Manfred reißt die Gashebel Vollgas rückwärts.
Wir stehen.
Ich Knie Pudding. Und der Kommentar von meinem Spatzel: "Wäre ich nur selbst gefahren."
Schon Lord Byron wusste: Früher oder später führt Liebe zu Rache!
Wir haben mit der Gasgeberei Russisch Roulett gespielt und dürfen uns dann nicht wundern, wenn eine Kugel kommt. Ob wir daraus gelernt haben?

Beim Weiterfahren stellen wird fest, dass oberhalb der Schleuse mehrere Bäche in den Kanal eingeleitet werden. Sie bringen soviel Wasser aus dem Hinterland, dass der Treidelpfad am Ufer teilweise überspült ist. Eine späte - zu späte - Erkenntnis. Immerhin bauen wir jetzt unseren Kram komplett ab, bevor auch das Verdeck hinüber ist.




Wir krabbeln die Vogesen rauf, und von Schleuse zu Schleuse wird das Wetter wieder besser und die Landschaft schöner. Soviel menschenleere, unberührte Natur, dass man in andächtiges Schweigen verfällt.
Blühende Wiesen, mit Dotterblumen, Kuckucksblumen, Löwenmäulchen, Glockenblumen, Gänseblümchen, Vergissmeinnicht und tausend anderen Sorten. Mannshohe satt-gelb blühende Ginsterbüsche, du riechst den Duft der Farben. Blühende Wälder, ein herrlicher alter Baumbestand. Wann habe ich zuletzt eine Espe gesehen? Das sind die, die zittern, weil das Kreuz Christi aus ihrem Holz gemacht wurde und sie deshalb nie mehr zur Ruhe kommen. Kilometerweit Bäume mit riesigen Mistelkugeln. Ach wäre jetzt nur Advent. Einen schöneren Schmuck über der Tür gibt es nicht. Und mein Manfred müsste mich jedes Mal, wenn er drunter durch kommt, küssen. Sollte ich nicht jetzt schon einen mitnehmen?

Um dich herum ist pure Harmonie. Das Gezwitscher der Vögel weckt dich mit dem ersten Sonnenstrahl. Ein Jubilieren, Tirilieren, ein Piepsen und Pfeifen, einer versucht den anderen zu übertrumpfen und auszustechen. Aufbrausend wie die Sinfonie eines Violinenkonzertes, abschwächend zum Adagio. KRAAR, KRAAR, Totenstille, eine Krähe stürzt sich zwischen das wogende Meer der Sänger. Wird verjagt und nach einem empörten Nachgeschnattere, beginnt der Gesang von vorne. Die Ruhe ist so angefüllt mit Geräuschen, dass es einem in den Ohren dröhnt. Hier würde ein Psychopath Heilung finden. Du lässt die Seele baumeln und beginnst zu träumen.
"Manfred, lass uns einen Nagel ins Ufer hauen und nie mehr fortgehen."
Er lacht mich aus.
" Du bist ein Romantiker, wie schnell würde es dich langweilen."
"Oh, niemals bin ich weniger müßig als in meinen Musestunden und niemals weniger einsam, als wenn ich allein bin."
"Gib nicht an mit deinem Cicero, ich kenn ihn auch."
Verflixt, er lacht mich wirklich aus.
" Nun ja, es ist und bleibt der deutschen Art, zu streiten um des Kaisers Bart."
Jetzt muss ich aber rennen, bevor er einen Feudel nach mir wirft.
Also, gut, fahren wir halt weiter.

Ab sofort geht's eh abwärts Richtung Petit Saône.

Die Sonne meint es jetzt besonders gut mit uns. Gegen Mittag wird es immer heißer. Wir dösen auf dem Achterdeck. Mit affenartiger Geschwindigkeit von 6kmh bewegen wir uns vorwärts. Mit jeder Schleuse die es abwärts geht, wirst du nachlässiger. Kein Gezerre, einfach nur ein bisschen festhalten, damit das Boot nicht nach vorne oder hinten ins Tor läuft. Die Männer steigen aus, helfen dem Schleusenmeister bei der Bedienung der Tore. Plötzlich Unruhe. Die Schleusenmannschaft wechselt. Ein Trinkgeld, ein au revoir, a la prochain, und siehe da, unser neuer Schleusenmeister ist eine Dame. Jung, hübsch, knackig, mit ihrer schätzungsweise 13jährigen Tochter. Sie begleiten uns die nächsten 10 Schleusen. "Sie könnten meine Tochter und Enkelin sein." Ich rechne, renne ins Schlafzimmer, gucke in den Spiegel: Mein Gott ja, sie könntens wirklich sein." Hugo klettert aus seinem Boot, Brust nach vorne, Bauch zurück. "Oh du alter Lustgreis!" Ein vorsichtiger Blick auf meinen Manfred. Wirft sich doch der alte Gockel genauso in die Entenbrust. Konkurrenz hat sich eingestellt. Auch Rosi ist volle Konzentration.
Nur leider nicht fürs Boot. Wir sind beide gebannt von dem Anblick wie unsere Männer jeder ein Tor drehen und dabei mit den Hühnern schäkern.

Hinter mir ein Schrei, hysterisch, schrill": Hugo das Boot hängt."
Ich bin sofort hellwach, kreische weiter": Das Boot hängt, das Boot hängt."
Manfred ein Satz an Hugo vorbei, in unser Boot, Notfallmesser vom Steuerstand. Hechtsprung zurück auf die Schleuse, mindestens schon 2,50 m hoch. Der Segler hängt bereits in gefährlicher Schräglage ca. 1 m über dem Wasser. Rosi jetzt auch mit dem Messer da. Alles kreischt durcheinander": Weg mit den Fingern, ganz weg vom Seil." Ein Hieb, das Seil ist durch, der Segler donnert ins Wasser. Der Schwung wirft ihn an die gegenüber liegende Schleusenwand. Das Geräusch ist schlimmer als ne Abrissbirne. "Den Kahn kann se abhaken." Doch das Boot war gut abgefendert, auch die Klampen haben gehalten, wie durch ein Wunder ist nichts passiert, dank Manfzan dem Retter der Verklemmten.

Rosi hat wunderschönes volles, graues Haar. Ihre Gesichtfarbe zu beschreiben fällt mir schwer. Auf jeden Fall unterscheidet sie sich nicht von der Haarfarbe. "Wie geht es dir?" "Ich überleb es nicht!" Natürlich hat sie, aber abends brauchen wir doch zwei, drei Gläschen Vin rouge, zur Kräftigung.

Es gibt auch Zeiten ohne tägliches Drama. Doch noch auf dem Kanal erwischt es uns wieder.
Unser nagelneuer, sündhaft teurer, blitzend weißer Steuerbordmotor springt lustlos an, läuft nicht sauber, hat zuviel Öl drin. Manfred saugt Öl ab. Unten in der Flasche ist Wasser, darüber Öl. "Kommt das über die Kopfdichtung?" "Nein, ich denke der zieht Wasser über den Auspuff." "Müssen wir im Auge behalten." Am nächsten Tag kein Problem, springt gut an, kein Wasser im Öl, aber der Lauf ist unruhig. "Wir müssen eine Pause einlegen, damit die Motoren abkühlen können, ich muss feststellen, was da los ist." Am nächsten Morgen macht der Anlasser klack, klack. Sofort bin ich panisch": Motor kaputt, Anlasser hin, Batterie leer und wir am Arsch der Welt." "Reg dich ab, das kriegen wir schon." Er muss ja seine Flüche nicht anhören. Wieder Wasser im Motor. Das Problem: Wir haben in Luxemburg voll getankt, Wasser und Diesel. Dabei ist der Kahn tiefer eingetaucht. Jetzt kann Wasser durch den Auspuff zurück in den Motor laufen. Das Problem erkennen, ist eine Sache. Der Ersthelfer: Öl raus, Motor spülen, Seeventil beim Abstellen sofort schließen. Richtige Abhilfe wird schon schwieriger, wir haben weder Kupferrohr, noch Lötlampe dabei. Manfred muss den Schwanenhals verkürzen, damit keine Sogwirkung mehr entsteht. Woher nehmen? Nicht mal stehlen geht, wir sind in der Wildnis.

Ein Eingeborener schickt uns nach Jussey, dort sei ein Baumarkt. Ein Nest kleiner als ein Fliegendreck auf der Landkarte. Und was ist? Feiertag! Ach Gottchen, es ist ja Himmelfahrt. Wir sind losgelöst von Zeit und Raum. Manfred kurvt mit seinem Rädchen alleine im Ort rum und entdeckt doch tatsächlich einen Klempner, der in seinem Hof rumwurschtelt. Wie es ihm gelingt, ohne ein Wort französisch, dem Knaben klarzumachen was er will und dass er auch noch eine geliehene Lötlampe braucht, wird auf immer sein Geheimnis bleiben und mir für den Rest meiner Tage verwunderlich.
Wie das Leben so spielt, verbringt unser Vater den Rest des Vatertages in der Bilge. Akrobatische Übungen rund um den Motor, aus- und einklettern, Fingerbrennen und natürlich fluuuchen!! Er ärgert sich, weil ihm das beim Einbau der Motoren durchging. "Verzeih dir, auch Götter machen Fehler."
Meine Karten stehn heute nicht so gut. Ich verzieh mich.
Ungnade und ein lahmer Fuß haben auch Vorteile, ich kann bequem in der Sonne sitzen und einen Brief an unsere Freunde schreiben.



Dieser Ostkanal ist wohl das Schönste und Aufregendste was wir seit langer Zeit gemacht haben.
Doch jetzt haben wir ihn endgültig hinter uns. In Corre beginnt die Saône.