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Kapitel 4

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Belgien


Belgien ist für mich ein Wunderland.
Ja, ganz bestimmt, ein Land über das ich mich nur wundern kann.
Jeder kennt Belgien, doch keiner weiß etwas davon zu erzählen.
Wir haben alte Fahrensleute gefragt: "Wart ihr schon mal in Belgien?"
Immer die gleiche Antwort: "Nö."
Wir haben versucht Reisebeschreibungen und nautische Unterlagen zu bekommen. Außer einem Satz Karten gibt es nichts. Und die sind wahrlich nicht ergiebig.
Belgische Skipper, die wir in Frankreich treffen, rümpfen die Nase: "Belgien nit gut."
Geht nicht, gibt's nicht, das macht uns nur um so neugieriger.
Ich mache eine Liste, was weiß ich selbst: Königreich, König Albert II. und Paola. Der etwas farblos wirkende Kronprinz hat gerade eine richtig nette, hübsche junge Frau geheiratet und wurde Vater einer Tochter. Urland der Pommes frites. Hauptstadt Brüssel ist auch Hauptstadt der EG und Sitz der Nato. Brügge und Gent.
Ist Antwerpen nicht holländisch?
Nein, belgisch. Dann war ja Rubens eigentlich Belgier!?! Oder doch eher Deutscher, wurde schließlich im westfälischen Siegen geboren!?!
Verrückte Welt!
Flamen und Wallonen.
Die Maas, sie fließt nicht nur durch Frankreich und Holland.
Die Ardennen sind uns nur bekannt als Kampfgebiet in Frankreich, ganz falsch. Glücklicherweise fallen mir noch der "Belgische Riese" und das belgische Kaltblut ein. Da war doch auch was mit Bier und Pralinen?

Also, ich merke schon, das Internet befragen!
Was der Computer ausspuckt, sind alles trockene Wirtschaftdaten.
Ab in die Buchhandlung. Ein Reiseführer muss her. Der Verkäufer guckt mich ganz konsterniert an:
" Belgien, sie suchen was über Belgien? Na, da schaun wir mal."
Die Auswahl ist genauso spärlich wie sein Blick dünn.
Belgien ist einfach kein begehrtes Reiseziel in Europa.
Warum nur?
Wir werden es feststellen!

Zwischen Ardennen und Nordsee leben Flamen und Wallonen, seit etwa 170 Jahren zu dem heute noch bestehenden Königsreich Belgien zusammengeschlossen.
Die keltischen Belgae gaben dem Land seinen Namen. Im 5. Jh. wurde das Gebiet des heutigen Belgien Kernstück des Reichs der salischen Franken. 843 wurde es zwischen Westfranken und Ostfranken aufgeteilt. Im 15.Jh. kam es als Erbe von Maria von Burgund durch deren Heirat mit Kaiser Maximilian I. an das Haus Habsburg. Hier blieb es ab 1555 als Spanische, ab 1714 als Österreichische Niederlande. Dann wurde es französisch. 1814 wurde es auf dem Wiener Kongress mit den Niederlanden und Luxemburg zum Königsreich der Vereinigten Niederlande zusammengeschlossen. Der Brüsseler Aufstand von 1830 leitete die Unabhängigkeit Belgiens ein. 1831 wurde Leopold I. von Sachsen-Coburg und Gotha König der Belgier. Leopold I. war ein wichtiger Berater von Queen Viktoria und spielte eine maßgebende Rolle in Europa. Sein Sohn Leopold II. war ein besonders geschickter Finanzstratege, unter seiner Regierung erlebte Belgien einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung. Dennoch war er im Volk verhasst.
Er kaufte als Privatbesitz den Kongo, der 80 mal größer war als Belgien und beutete ihn gnadenlos aus. Er trieb es so schlimm, dass Mark Twain ihn "den König mit den zehn Millionen Toten" nannte. Später ging der Kongo in Staatsbesitz über und wurde Kolonie. Da Leopold II. zwar nicht kinderlos aber ohne rechtmäßigen Nachfolger starb, bestieg sein Neffe Albert I. den Thron. Im ersten Weltkrieg stellte er sich an die Spitze seiner Truppen und verteidigte vier Jahre den letzten nicht besetzten Teil seines Landes in Flandern. Bei einer Klettertour im Maastal stürzte er ab und starb. Sein Sohn Leopold III. wurde von den Nazis gefangen genommen und das belgische Volk warf ihm vor mit Hitler kollaboriert zu haben. Kurzfristig übernahm deshalb sein Bruder Karl die Regierungsgeschäfte. Als Leopold wieder eingesetzt wurde, streikte das Volk und er dankte ab und übergab seinem Sohn Baudouin die Krone. Baudouin und seine Frau Fabiola kennen wir alle, sie waren beim Volk sehr beliebt. Als Baudouin überraschend starb, begleiteten ihn 100.000 Belgier auf seinem letzten Weg.

Soviel zur Geschichte des Landes.
Belgien ist ein Bundesland wie Deutschland.
Allerdings mit dem Unterschied, dass mitten durch das Land die markanteste Sprachgrenze Europas läuft.
Sprache und Kultur des einen Landesteiles wurden von germanischen Stämmen beeinflusst und ist flämisch, ein Dialekt des Holländischen.
Der andere Teil des Landes ist romanisch beeinflusst und spricht wallonisch, ein Dialekt des Französischen. Diese Sprachgrenze ist seit langem eine Quelle grundlegender Differenzen.
Das kleine Zipfelchen, das deutsch spricht, fällt da gar nicht mehr ins Gewicht.

. Sein amtlicher Name: Königreich Belgien oder Koninkrijk Belgie oder Royaume de Belgique, je nach Sprache. Es ist eine parlamentarische Monarchie.

Belgien ist einer der kleinsten europäischen Staaten, aber außer Holland am dichtesten besiedelt und sehr wohlhabend. Ich habe es an mehreren Stellen nachgelesen, weil ich es kaum glauben konnte.

Ganz erstaunlich finde ich, dass die längste Ausdehnung des Landes 290 km beträgt. Das kommt mir lächerlich wenig vor. In drei Stunden von einem Ende zum anderen fahren, unglaublich. Oder die Gesamtfläche von 30500 km/2. Es würde mehr als zehn mal in Deutschland passen. Dieses winzige Land besitzt 145.850 km Straßen und 3.470 km Eisenbahnnetz. Angeblich das dichteste Eisenbahnnetz der Welt. Und ich frage mich ernsthaft, wie es den Belgiern gelingt ihren Nahrungsmittelbedarf zu 80 % mit der eigenen Landwirtschaft zu decken.

Dass die Holländer die Belgier nicht gerade lieben, versteht sich von selbst. Sie behaupten mit unverhohlenem Neid, dass die Belgier die glücklichsten und lebenslustigsten Europäer seien.

Wir werden uns selbst eine Meinung bilden.

Die erste Stadt die wir in Belgien passieren ist Lüttich. Die Geschichte der Stadt habe ich bereits im Kapital Maas erzählt. Doch ich möchte gerne noch die Aussagen von einigen schlauen Köpfen zitieren.

Victor Hugo schreibt:
"Lüttich besitzt noch genug Türmchen, genug Fassaden mit Voluten- und Skulpturengiebel, genug romanische Glockentürme, genug Wachtürme, wie die von St. Martin und Amercoeur, um selbst den über die Manufakturen, Maschinen und Fabriken wütendsten Dichter und Antiquitätenhändler in Verwunderung zu setzen.
Nirgendwo habe ich ein architektonisch befremdlicheres, verdrießlicheres und prachtvolleres Ganzes gesehen."

Gérard de Nerval sagt :
"Kommen wir schnell zum Dringlichsten, d.h. zum Schönsten: dem Innenhof des Justizpalastes von Lüttich, der an manche venezianische Paläste erinnert.
Das Land Lüttich ist gleichzeitig der Süden und der Osten Belgiens; die Luft ist hier wesentlich reiner als anderswo, befreit vom dicken Nebel der Hügel und des Meeres; die Leute haben blitzende Augen, sind flink und voller Intelligenz, Stärke und Tatendrang."

Und last but not least Philippe des Hurges (16.Jh.):
"Von allen Völkern des Westens sind die Lütticher die Aufsässigsten."

Tut mir leid Monsieur Nerval, ich widerspreche ihnen nur ungern, doch das mit der reinen Luft war wohl auch schon zu ihrer Zeit ein Märchen. Die dunkle Schicht, die sich nach drei Nächten Lüttich verzweifelt an unserer Beluga festklammert und mit Manfred einen Kampf auf Leben und Tod ausficht, ist kein Schokoladenguss, das ist schlicht und einfach Ruß. Fettiger schwarzer Ruß, der trotz aller Gegenwehr dem brutalen Angriff meines Kapitäns, unterstützt von seinem Moses Meister Proper, nicht gewachsen ist.