www. Beluga-on-Tour.de
Navigation


•   Alltag an Bord

•   auswintern

•   Morgen wird ausgewintert

•   Jedes Jahr das Gleiche

•   Ein langer Winter

•   Die Frau an Bord

•   Die Bordfrau hats nicht leicht

•   Besuch an Bord

•   schon wieder Besuch an Bord

•   Unser Freund Hock


•   Neuerungen an Bord


•   Klo an Bord

•   Nachricht in die Heimat

•   Brief nach Hause

•   Speisen wie Gott in Frankreich

•   Humor ist wenn man trotzdem lacht

•  Land unter Normalnull

•  Als Skipper hat man's nicht leicht

•  Herbst

•  Stapellauf am Rhein

•  Menschen unterwegs

 

 

Stapellauf am Rhein

 

„Anstatt am Computer zu sitzen solltest du mal raufkommen und dir dieses Schauspiel betrachten!“, rief mein Kapitän und wollte mich so von einer neuerlichen Frechheit, genannt Kolumne, abhalten.

Doch so schnell lässt sich eine gestandene Bordfrau nicht verwirren.

„Was gibt's denn so Spannendes?“, wüsste ich gerne.

„Vier Autos sind gerade vorgefahren. Eines hat ein Kanu auf dem Dach. Vier Mann steigen aus.

Heben das Kanu vom Auto. Dem einen rutscht es aus der Hand. Knallt auf den Leinpfad.

Grosses Palaver.

Der Ungeschickte wird weg geschoben, ein anderer fasst mit an.

Die machen dicke Backen, als würden sie einen Ozeanriesen heben und kein leichtes Plastik-Boot.“

Na ja, so spannend fand ich die Geschichte bis jetzt noch nicht.

Doch plötzlich rumpelt es draußen, da muss ich doch mal einen Blick aus meinem Küchen-Bullauge werfen.

Das Kanu holpert über die Steine der Böschung, landet mit einem Platsch im Wasser, einer der Helfer kullert hinterher, ein anderer hechtet mit großen Sprüngen das Treppchen runter, steht bis zum Bauch im Wasser und bekommt gerade noch das Heck des Bootchens zu fassen, bevor es die Strömung mitnimmt. Die beiden anderen konnten ihren Hechtsprung bereits im Gras stoppen und betasten fluchend ihre aufgeschürften Knie.

„Sind das Deppen“, gluckert es von oben, „die stellen sich ja an, als würden die sie Queen Mary zu Wasser lassen.“

Ich gehe davon aus, dass die amüsante Seite der Geschichte somit zu Ende ist.

„Aha“, sagt mein Skipper, „jetzt packen sie die Zelte aus. Und wenn sie sich nicht beeilen, dann sind sie auch gleich alle nass.“

Doch sie haben's nicht eilig, die kanufahrenden Camper.

Zwei weitere Autos trudeln ein, allseitiges Begrüßen und Umarmen.

Zwei Zelte und zwei aufblasbare Kanus werden ausgepackt.

Mein Skipper hat die Nase verdächtig nah am Fenster, um ja nichts zu verpassen.

„Was macht der denn, der sucht die Ecken am Zelt“, grinst er, „dabei ist das Ding rund.“

Er schüttelt den Kopf: „Wie kann man sich nur so blöd anstellen?“

Eigentlich wollte er ja sein Bimini aufbauen, doch dazu hat er jetzt keine Zeit mehr, sonst verpasst er vielleicht etwas.

Ein Camper packt die Zeltstangen aus. Zwei Stangen hat er schon zusammen gesteckt, als er einem Zuschauer versehentlich die dritte in den Magen bohrt.

Als wäre dessen Zusammenzucken der Beginn des Regentanzes öffnen sich sämtliche Dachluken des Himmels und lassen einen Platzregen herab stürzen.

Zeltplane und Gestänge bleiben in der Wiese, die Camper rotten sich unter einer Pappel zusammen. Erst als alle richtig nass sind, verschwinden sie in ihren Autos.

Mein Skipper schreit nach einer Kaffeepause. Gestärkt verfolgt er das weitere Geschehen.

Die katschnassen Zeltplanen werden auf der Wiese hin und her gezogen um einen geeigneten Platz zu finden.

Das erste Zelt steht, als erneut ein Schauer die Tätigkeit zu unterbrechen sucht.

Was ein echter Camper ist, dem machen ein paar Wassertropfen nichts aus. Bevor der unfreiwillige Schwimmer das stehende Zelt mit Heringen festzurren kann, hat es der Halbnasse schon wieder umgeworfen, ist über eine Zeltschnur gestolpert und liegt samt Plane in der Wiese.

Ein anderer lässt sich nicht abhalten mit einer Handpumpe das Gummiboot aufzublasen. Leider ist an der Pumpe das Rückschlagventil kaputt. Bei jedem ab pumpt er Luft ins Boot und bei jedem auf pumpt er sie wieder raus. Während das Gummi-Kanu seines Kumpels langsam Form annimmt. Und kameradschaftlich wird die funktionierende Pumpe weitergereicht.

Die Kanus werden zu Wasser gelassen und mit Hallo und Schwung geht's mit der Strömung Rheinab.

Mein Skipper wiehert und feixt beim Zuschauen und als er endlich sein Bimini schnappt und aufs Achterschiff verschwindet, lässt er noch lässig fallen: “Mal gespannt ob wir die je wieder sehen, gegen die Strömung kommen die niemals an. Was du nur alles verpasst, nur weil du ständig mit diesem blöden Ding beschäftigt bist.“

Leider ist ihm im Genuss der Schadenfreude völlig entgangen, dass sein Achterschiff durch den ergiebigen Regenguss glitschig wie eine Schlittschuhbahn ist. Seine Füße entwickeln ein völlig neues Eigenleben und er segelt mit rudernden Armen und rapid sinkender Würde wie eine Fregatte unter Vollzeug gen Reling.

Während sich der untere Teil seines Revuekörpers zwischen den Backskisten verkeilt, entflieh dem oberen ein Fluch, von dem ich als fürsorgliche Mutter hoffe, dass er von jeglicher Erbfolge ausgeschlossen bleibt. Als er Stunden später sämtliche Wehwehchen mit Traumasalbe und Aua-Klebern verarztet und das vermaledeite Bimnini endlich gestellt hat, kommen die Kameraden mit hängender Zunge und schlurfendem Schritt die Kanus hinter sich her schleppend zum Campingplatz zurück.

Was ist es doch am Rhein so schön.

 

 

Veröffentlicht Fuestruper Hafen-Kurier Ausgabe 4/06