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Kapitel 1
Heimat


Kapitel 2
Loreley
Startschwierigkeiten am Rhein

Kapitel 3
Die Mosel


Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin

Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône

Kapitel 9
Der Doubs

Kapitel 2

 

Der Rhein

Startschwierigkeiten am Rhein

„Er schaltet nicht ein.“

„Wer schaltet nicht ein?“

Doris war ein wenig irritiert. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Manfred hatte den ganzen Winter geschuftet. Beluga war wie aus dem Ei gepellt.

Sie glänzte und funkelte, dass man schier geblendet war. Und sie hatten wie jedes Jahr vor Beginn ihrer Reise Probewohnen auf dem Boot gemacht. Alles war bestens. Alles hatte funktioniert. Was also sollte plötzlich nicht einschalten?

„Der Fernseher schaltet nicht ein“, knurrte er ärgerlich und hämmerte auf dem Einschaltknopf des Gerätes herum.

Monatelang kein Fernsehen, nicht mal Nachrichten, das wäre wirklich eine Strafe für Manfred. Glücklicherweise war ja erst Freitag und sie wollten erst am Montag starten. Der Abschied vom Enkelkind, der war gar nicht so einfach. Sie wussten beide jetzt schon, dass ihnen dieses kleine Geschöpf schrecklich fehlen würde. Diese strahlende Lebensfreude, die nur ein Wesen ausdrücken konnte, dessen Seelchen noch unberührt von den Unbilden des Lebens war. Ja, es würde ihnen fehlen. Besonders Manfred, denn Opa und Enkelin hatten beide dieses Klettensyndrom. Da war selbst die Mama abgemeldet, wenn der Opa in der Nähe war. Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt

Ein anderer Fernseher war kein Problem. Robin, Papa und Sohn Nr. 2, musste den Ersatzportabel aus dem Schlafzimmer mitbringen.

Hatte bis jetzt der Frühling den Charme eines Rohrkrepierers, am Samstag fiel er endlich über sie her wie ein gefräßiger Schwarm Heuschrecken. Was für ein Ohmen für den Reisebeginn.

Da konnten sie die Nacht in der Walpurgis mit ihrem Besen zum Blocksberg ritt am gemütlichen Grillfeuer begießen und der Dinge harren, die in dieser Nacht auf der Erde geschehen.

Beltaine, das Feuerfest, wenn die Zeit der Dunkelheit zu Ende geht und die Zeit des Lichts beginnt. In der tiefen Nacht, wenn die Herrschaft der Finsternis endet, die des Lichts aber noch nicht begonnen hat, da sei, so sagt man, ein Spalt in der Zeit, ein kurzer zeitloser Moment. In ihm können die Geschöpfe der Unterwelt den Schleier lüften und ins Diesseits schlüpfen um über die Erde zu tanzen.

Außer einigen gefräßigen, frechen Gänsen ließ sich leider kein über- oder unterirdisches Geschöpf erblicken. Doch man sollte die Hoffnung nie aufgeben, die Hexennacht kommt jedes Jahr aufs Neue.

„Sie schaltet nicht ein!“

„Wer schaltet denn jetzt schon wieder nicht ein?“

Wenn er morgens, wenn sie sich noch verschlafen im Bett räkelte schon wieder so eine Hiobsbotschaft losließ, was sollte dann aus diesem Tag werden?

„Die Dusche pumpt nicht ab, die Pumpe schaltet nicht ein.“ Er hatte einen Gesichtsausdruck wie ein Gewitterhimmel.

Am Montagmorgen, noch vor dem Frühstück den Schmutzwasserbehälter zu öffnen und Pumpe und Schalter zu untersuchen, na das stinkte ihn vielleicht an. Gestank, in des Wortes verwegenster Zweideutung.

Doris zog sich die Decke über den Kopf. Das ging ja wirklich gut los.

Der Wetterbericht sagte das Ende des Sommereinbruchs voraus, er sollte eine Zweitags-Fliege werden, doch es war immer noch schön als sie endlich vom Steg ablegten und ihre Reise begannen.

Die Bergstrecke von Bingen nach Koblenz war das landschaftliche Sahnestück des Rheins. Burgen, Kirchen, zauberhafte kleine Dörfer, majestätisch der Loreleyfelsen, der sich zugegebenermaßen etwas aufdringlich in den Fluss schob, Sagen, Mythen und Dutzende von Berufsschiffen.

Hier steppte der Bär, doch sie mogelten sich dazwischen. Mindesten 10 Hotelboote kamen ihnen entgegen. Kleine Frachtschiffe, manche mit einem Schlepper als Vorspann, große Containerschiffe, Schubschiffe mit zwei Leichtern, viele Ausflugsboote. Sie wühlten das Wasser auf, das hier eh schon flott unterwegs war. Beluga bockte durch die Wellen wie ein schlecht eingerittener Mustang.

Doris schoss ein Foto nach dem anderen. Sie wollte keine Burg verpassen, jedes alte Fachwerkhaus, jeden wildblühenden Flieder einfangen. Nicht mehr Stress, als den, den man sich selber macht.

Der alte Kaiser Wilhelm guckte stoisch auf sie herab und verzog keine Miene, als sie in Koblenz mit einem flotten Schwenk in die Mosel einbogen.