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Kapitel 1
Heimat


Kapitel 2
Loreley

Kapitel 3
Die Mosel


Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin

Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône
Unsichere Zeiten in Langres
Abwärts zur Saône

 

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône

Kapitel 9
Der Doubs

Kapitel 5

  Canal de la Marne a la Saône

Abwärts zur Saône

 

Die Bootfahrer hatten sich voll auf den Barometer verlassen. Das ganze Wochenende zeigte er Katastrophen-Wetter an, obwohl es eigentlich ganz ordentlich war. Ab Sonntag ging's aufwärts mit ihm, doch das Wetter war anderer Meinung. Es regnete Bindfäden als sie ablegten und war saukalt.

Den fast 5 km langen Tunnel machten sie mit links. Und dann kam eine Schleusentreppe die automatisiert war. So ging es flott voran. Der angekündigte Penich Jannik passierte sie bereits an Ecluse 5 und als sie viertel vor zwölf vor Ecluse neuf standen, war die Ampel rot. Also war Mittagspause angesagt. Um ein Uhr passierte ein anderer Penich die Schleuse und sie machten sich wieder auf.

Die Schleusenampel zeigte rot/grün, die Schleuse war in Vorbereitung. Das Tor öffnete sich, blieb halb offen stehen, die Ampel sprang auf rot. Über dem avisierten Kanal 10 meldete sich natürlich keiner. Erst als Luciano in Französisch rief, bekam er Antwort von einer weiblichen Stimme. Es käme sofort jemand, wurde ihm versprochen. Nach einer halben Stunde fragte die gleiche weibliche Stimme über Funk, wo sie denn überhaupt wären. Nach einer weiteren halben Stunde trudelte ein VNF-Auto ein und die Dame setzte die Mimik elektrisch in Betrieb. Die Ampel sprang auf grün/rot, das Tor ging auf, die Ampel behielt stur ihr rot bei. Luciano hupte zwei Mal mehr als aufdringlich. Die Schleusendame rannte wieder in ihr Hüttchen. Die Ampel ging aus, sprang dann auf rot, das Tor begann zu klingeln, klingeln hörte auf, die Ampel sprang auf rot/grün. Luciano hupte. Die Ampel sprang auf grün.

„Siehst du,“ rief er über Funk „da musss man erscht zwäimal hoorrnen, bis dasch das grüne Licht erschient.“

Und Manfred rief zurück: „ Aber das viele hoorrnen hat auch die Himmelsschleusen geöffnet, da hascht du äinen Fählerr gemaacht.“

Nach dem Mittag wollten die Schleusen einfach nicht mehr richtig funktionieren. Jede Zweite setzte aus und musste in Gang gesetzt werden. Leicht ung eduldige Temperamente könnten hier durchaus beglückende Augenblicke akuter Krisen des Selbstbewusstseins durchleben.

„Schau dir das an“, Manfred deutete bei Ecluse 16 auf eine zu Schau gestellte deformierte Schiffsschraube, „hier ist doch tatsächlich einem Penich beim Warten der Propeller abgerostet.“

Und von hinten plärrte Luciano durch den Funk, dass das Echo durchs ganze Tal raste: „I han dene aber g'sacht, dass dess än Schießedräecke gsie.“

 

 

Doch „hoorrnen“ half ihnen am nächsten Morgen nicht weiter. Die Schleuse 23, vor der sie genächtigt hatten, war manuell und nicht besetzt.

Die Nacht unter den Bäumen und die Regengüsse hatten Beluga aussehen lassen wie ein wandelnder Komposthaufen. Dieser französische Angriff auf deutsches Hoheitsgebiet, gepaart mit Entzug der Schlüsselgewalt ließ Manfreds Sonne bereits nach dem Frühstück wieder untergehen.

Luciano hatte längst festgestellt, dass an der Schleuse kein Notfalltelefon war, da kämpfte Manfred immer noch mit seinem Feudel gegen die Auswirkungen der dreisten Attacke.

Sie warteten. Natürlich nicht geduldig. Es war schon eine persönliche Beleidigung sie einfach so im Kanal zu vergessen. Oder könnte es vielleicht sein, dass sie sich völlig unbemerkt durchgemogelt hatten?

Sie warteten.

Sie warteten, grob geschätzt die Lebenszeit eines biblischen Patriarchen, aber mindestens eine dreiviertel Stunde, bis endlich die alarmierte Schleusenmannschaft, wenn auch widerwillig, eintrudelte.

Die nachfolgenden etwas grobschlächtigen, teils Struma befallenen Schleusendamen konnten seine Stimmung auch nicht wesentlich aufhellen.

Dann folgte ein hübsches junges Mädchen, das leider mit einem schrecklichen Geburtsfehler geschlagen war. Statt eines rechten Ohres hatte sie ein kleines, viereckiges, graues Kästchen am Kopf, in Deutschland nannte man es Handy. Sie drehte die Schleuse einhändig in ungeselligem Schweigen gegenüber der Bootsbesatzung und ihrem freiwilligen Helfer. Vielleicht entstammte sie dem in der Revolution entstanden Club „Bouche de fer“? Doch dieser Eisenmund schien ohne Zähne, denn er brachte kein Lächeln hervor.

Vor Schleuse 33 verging Manfred schlagartig das Lachen: „ Jetzt guck dir diesen Hallodri an, der macht doch tatsächlich hinter dem Penich die Tore wieder zu. Uns genau vor der Nase!“

Es war Mittagszeit in Frankreich. Da wird jeder Schleusenwärter zum Hüter des Heiligen Krals.

Die Zwangsmittagspause war Doris gar nicht so unangenehm. Da konnte sie in Ruhe kochen und anschließend die Küche aufräumen und Zeit für einen Kaffee blieb auch noch.

Alle Schleusenwärter am Marne a la Saône trugen Schwimmwesten. Dieser Kanal schien viel gefährlicher zu sein, als alle anderen Kanäle in Frankreich. Doch der Schleusenwärter von Nr. 33 trug eine Warnweste in grellstem Orange. Er war nicht zu übersehen und würde bestimmt von keinem Boot überrollt werden.

Er ließ sie in die Schleuse einfahren, dann holte er einen Feldstecher und schaute nach hinten. Umrundete die Schleuse und hielt wieder Ausschau. Nach was wohl?

Ganz in der Ferne schob sich in Zeitlupe ein Bumsboot um die Kurve. Er ließ sie eine geschlagene halbe Stunden warten, bis das Bumsboot endlich angeschlichen kam.

Es wäre nicht weiter tragisch gewesen, wäre die Schleuse nicht randvoll, kein Poller zum festmachen und außerdem noch stark windig gewesen.

Manfred maulte rum, tigerte auf dem Boot auf und ab, wie Dschingis Khan auf der Suche nach seinen wilden Horden. Er schubste hier ab, schob da weg und ließ die Kopfschraube im Bug rotieren.

Auch Luciano tobte und grandelte.

Wieso er so einen Chaos veranstaltete, wollte er vom Schleusenwärter wissen. Doch der blieb unbeirrt. Es wäre zu wenig Wasser im Kanal, er müsse Wasser sparen, das war doch tatsächlich seine wurstige Ausrede, weil er einfach zu faul war die Schleuse zweimal hintereinander zu bedienen.

Und sie war so lächerlich, wenn doch jeder Blinde sehen konnte, dass der Kanal mehr als voll war. Das Wasser lief stellenweise sogar in die Wiese und die Schleusen waren übervoll.

Die Boote lagen in der Kammer wie die Wurst in der Pelle. Beluga hatte den Bug ganz vorne am Tor, so würde es nicht zu öffnen sein. Chez Otti war eingekeilt zwischen dem Bumsboot und Beluga und rempelte abwechselnd vorne und hinten an. Hinter dem Bumsboot ließ sich das Tor nur mit Mühe schließen und beim abwärtsschleusen setzte es auf den Trempel auf. Und keines der Boote war irgendwo festgebunden.

Luciano war einem Nervenzusammenbruch nahe.

Er hopste auf dem Boot herum wie's Rumpelstilzchen persönlich. Irgendwie klangen seine schweizer Flüche wie die Schreie eines liebeskranken Kanarienvogels. Nur gut, dass er trotz all dem Gebrüll der Löwen das Herz eines Lammes hatte und sich schnell wieder beruhigen konnte.

An der nächsten Schleuse würde er so nicht mehr schleusen, lieber bliebe er draußen stehen bis er schwarz würde. Doch es war nicht nötig, denn auch den Charterern war dieses Durcheinander unangenehm und sie blieben einfach zurück, bis die anderen Boote geschleust waren.

Weil Lucianos Nerven blank lagen, beendeten sie diesen Tag früh vor Schleuse 36.

„Wass säget mir dene wenn mär morge witter wolle?“ fragte er erschöpft, „8 Uhr, odär wass?“

„Wir können auch erst um 9 starten“, warf Manfred ein, „bis zur Saône sind es nur noch 7 Schleusen.“

„Nei, nei, “ antwortete Luciano ihm, „ wänn mir net sagä 8, dann hänn i jo gar käen Grund mich zu äergere.“

„Ja, du hast völlig recht, wir bekommen ja Mangelerscheinungen, wenn unser Adrenalinspiegel nicht gleich morgens auf 380 ist“, grinste Manfred.

„I mussät s'forrt abliege,“ verkündete Margreth abends bei einem Gläschen, „so han i mi ärgeräd. I han jo schier Bauchwäh krieged.“

Doris kicherte wie ein Backfisch, sie fand die ganze Aufregung durchaus erheiternd. Aber vielleicht kam das Kichern auch von den zwei Flaschen Mädchentraube, welche die Damen so Nullkommanichts verputzt hatten.

Morgens um Punkt 8 standen sie vor der Schleuse.

„Siehst du,“ sagte Manfred, „da ist doch System dahinter. Die lassen uns hier einfach am langen Arm verhungern,“ und in seinen Augen lag die lustvoll-mörderische Entschlossenheit einer Schwarzen Witwe.

Der Nachhall von Belugas Nebelhorn war noch nicht verklungen, als das Schleusenauto um die Ecke bog.

„Na gut, 2 Minuten nach 8. Scheinbar gibt's doch noch ordentliche Schleusenwärter an diesem Kanal.“

„Luciano,“ rief er dann durch den Funk nach hinten, „ was machen wir jetzt, es gibt nichts zu ärgern? Wie wär's, wenn wir's Wetter nehmen, es hat gerade mal 9 Grad.“

„Ho, wass däenk'st,” funkte Luciano zurück, „ morge wärde mier an lesbräecher bruche.“

Dieser ordentliche Schleusenmeister half ihnen die letzte Hebebrücke und die restlichen Schleusen ohne jeden Zwischenfall zu bewältigen. Adrenalin hatte Ausgangssperre.

 


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