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Kapitel 1
Heimat


Kapitel 2
Loreley

Kapitel 3
Die Mosel


Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin

Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Hühner und sonstiges Getier
Louhans
Abschied von der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône

Kapitel 9
Der Doubs

Kapitel 7

Die Seille

Hühner und sonstiges Getier

 

Bereits Heinrich IV. wünschte jedem Franzosen sonntags ein Huhn in den Topf. Da war es kein Wunder, dass Franzosen mit der Vorstellung heroischer Hühnervögel aufwachsen. Der gallische Hahn nimmt eine Sonderstellung seiner Gattung ein und das Bresse-Huhn sattelt noch einen obendrauf, denn es kommt in den französischen Nationalfarben daher. Rot der Kamm, weiß das Kleid und blau die Füße.

Mit Gänsen stehen die Franzosen nicht so gut. Sie haben ihnen bis heute nicht verziehen, dass sie mit den Römern kollaborierten und den gallischen Angriff auf Rom vereitelten. Für sie gibt es nur eines, rein ins Cassoulet und abtauchen unter weiße Bohnen. Lieblos steckt man ihnen ein Rohr für die Mästung in den Hals und verhindert somit jeden Spaß an üppiger Nahrung, nur um dann selbst mit Wonne und profunder Boshaftigkeit die kranke, fettige Leber der verhassten Verräter zu vertilgen.

Frankreichs edelstem Geflügel, den Hühner der Bresse, aber geht es richtig gut. Ca. 600 Höfe kümmern sich in der Bresse um die Aufzucht der Küken. Bereits nach einem Monat geht es hinaus ins Grüne. Jedes einzelne Tier hat Anspruch auf 10 qm Wiese, mehr als die Größe deutscher Kinderzimmer. Gefüttert wird überwiegend mit in Milch eingeweichtem Mais. Die Poulet darf neun Wochen Freiheit genießen, der Poularde stehen elf, dem kastrierten Chapon, dem Kapaun, sogar 23 Wochen Auslauf zu. Doch auch jetzt kommt es nicht ohne Vorbereitung auf die Tafel. Jedes Tier erhält eine Schlussmast in einem kleinen Käfig. Es wird hervorragend ernährt, hat aber keinen Auslauf mehr. So kann es eine ordentliche Schicht Fett anfuttern.

Der Kapaun erfährt sogar noch eine zusätzliche Sonderbehandlung. Behutsam wird er gerupft, dann in Milch gebadet und anschließend in Leinen eingenäht. Nach zwei Tagen fällt das Gewand und es erscheint ein ebenmäßig geformter königlicher Körper, bereit für seinen großen Auftritt auf der exklusivsten Tafel.

Sie waren wild entschlossen einmal in ihrem Leben nicht vernünftig zu sein und so einen heroischen Vogel zu genießen, koste es was es wolle. Und dass es kein billiger Spaß werden würde, das war ihnen durchaus bewusst.

Montags war in Louhans, der Hauptstadt der Bresse Geflügelmarkt. Den wollten sie sich nicht entgehen lassen. Doch erst mal lag der kleine Fluss vor ihnen mit drei handbetriebenen Schleusen.

Die Vorfreude auf so viel Federvieh beflügelte ihre Unternehmungslust und die Damen ließen sich mal wieder zu einer Radtour überreden. Querfeldein versteht sich, denn in diesem kleinen Eckchen Erde gab es nichts außer Feld, Wiese, Kuh.

„Guck mal, Manfred,“ schrie Doris nach vorne und spreizte die Beine vom Fahrrad weg, weil sie gerade wieder durch ein Schlagloch hoppelte, „die Kühe haben alle so komische Plastikringe in der Nase. Weißt du warum?“

„Das sind keine Kühe, das sind junge Rinder!“

„Das ist doch kein Grund Ringe in der Nasse zu haben!“

„Doch,“ antwortete er geduldig, „wenn sie nicht jung geschlachtet werden und auch nicht kastriert, dann weiß man ja nicht, ob sie nicht recht ekelhafte Stiere werden.“

„Oh,“ grinste sie frech, „da hast du aber Glück gehabt, dass du aus einer anderen Herde stammst.“

Fünf Ziegen grasten neben ihnen auf einer eingezäunten Weide. Davon hätte Doris gerne ein Foto gehabt.

„Warum soll ich denn diese alten, mageren Ziegenböcke fotografieren?“ weigerte sich Manfred.

„Woher weißt du denn, dass das Ziegenböcken sind, es könnten ja auch Geißen sein, oder haben Geißen keine Hörner?“

„Könnte es sein, dass deine Eltern bei deiner Aufklärung eine Unterlassungssünde begangen haben?“ feixte er.

Und Luciano erbot sich freundlich den Zaun anzuheben, damit Doris die kleine Herde Aug in Aug und ganz aus der Nähe fotografieren könne. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde!!!

Sie fielen in einen winzigen Weiler ein, eigentlich nur einige Häuser, die sich an der Landstraße entlang zogen. Die völlig schmucklose alte Kirche war verschlossen, aber die Bar hatte geöffnet.

Der Wartesaal eines Abrissbahnhofs war ein Schmuckstück gegen diesen Raum. Die kahlen Wände schmückten einige Karikaturen von ihnen unbekannten Franzosen. Die Gesichter waren derart deformiert, dass sie die Männer auch nicht erkannt hätten, hätten sie sie gekannt. Die Tische aufgereiht wie Orgelpfeifen und völlig kahl. Am Tresen lungerten zu dieser frühen Stunde bereits die ersten Kampftrinker des Ortes bei einem Anis und dazwischen ein vielleicht Vierzehnjähriger, der eine Zigarette nach der anderen paffte. Alte Männer mit verdrehten Hosenträgern überm fleckigen Unterhemd und Baguette fürs Mittagessen unter die Achsel geklemmt, dass es einen Bogen machte wie ein Hufeisen, tauschten die neusten Neuigkeiten aus und die Fremden bedauerten, dass sie nichts verstanden und sich mit den Eingeborenen nicht austauschen konnten. Immerhin waren Bier und Cola eiskalt.

„Dasch war doch mal än schööne Ausflug gsie,“ strahle Margreth als sie wohlbehalten wieder an den Booten waren, „i bin nit einmol umgefalle!“

„Ach,“ sagte Lucianao abends zu Manfred zwischen zwei Lockschreien nach seiner Moni, die nie darauf hörte und immer nur kam, wenn sie wollte oder Hunger hatte, „wir müssed einen andären Radwäg suche, der isch jo langwäilig gsie. Es gab net a mool fliegände Damen.“

Ihre Abfahrt am nächsten Tag verzögerte sich, da Katzendame Moni sich entschloss morgens um 6 ihr trautes Bootsheim zu verlassen und einen Ausflug zu machen. Als sie um 9 noch immer nicht zurück war, bahnte sich ein Drama an, gegen das die Griechen nur schlappe Komödien inszeniert hatten. Margreth saß am Ufer und ließ Auge und Kummer schweifen, während Luciano rufend durch die Büsche tigerte und Horrorszenarien von Katzendieben bis Katzenfressern herauf beschwörte. Als die Katze endlich pünktlich zur Mittagszeit wieder eintrudelte, wohl weil der Bauer mit seinem Heuwender ihre hart erkämpfte Sonneninsel in der Wiese ramponierte, war Luciano samt Fahrrädchen abgängig.

Als endlich alle Mann wieder an Bord waren, brannte die Sonne unbarmherzig in das kleine Flusstal. Auf diesem Fluss war wahrhaft der Weg das Ziel. Eisvögel, die wie bunte Pfeile von Busch zu Busch flitzten waren bald keine Sensation mehr. Reiher blieben furchtlos am Ufer sitzen und starrten den Booten forsch hinterher. Eine Schwanenfamilie beharrte kämpferisch ihren Platz in der Mitte des Wassers. Handtellergroße Frösche schwangen sich unmutig quakend von Rosenblatt zu Rosenblatt und ließen die kleine gelbe Blüte abtauchen. Der Duft von frisch gemähtem Gras und Heu erfüllte die Luft. Verschilfte Wehrarme führten zu romantischen Wassermühlen. Ein Châtelet mit spitzen Türmen lugte über die Bäume seines Parks. Idylle pur.

Vor der Schleuse lag ein kleiner Steiger im Wasser. Hier konnten die Boote anlegen, denn die Schleuse musste von der Bootsbesatzung selbst bedient werden.

„Lass mich nur raus, ich mache die Schleuse klar,“ erbot sich Doris. Nicht ganz uneigennützig natürlich. Sie wollte eigentlich nur verhindern, dass er von Bord ging und sie dann das Boot in die Schleuse manövrieren musste.

Doch es war vergeblich.

„Was willst denn du auf der Schleuse,“ dozierte er kopfschüttelnd, „du weißt doch gar nicht was du machen musst und das Tor bringst du auch nicht aufgedreht.“

Eigentlich war es eine Unverschämtheit sie hinzustellen als sei sie blöd. Aber sie wusste genau, dass Widerspruch hier völlig sinnlos war. Er hatte manchmal eine sehr unfreundliche Arte nette Dinge zu sagen. Denn er wollte ihr ja nur Quälerei ersparen.

Als er die unteren Schütze geöffnet hatte und das Wasser unter dem Tor hervorsprudelte, rief er, wie könnte es auch anders sein, herüber: „Traust du dir zu in die Schleuse zu fahren!“

Das war keine Frage, das war ein Befehl. Also legte sie ab, manövrierte das Boot in die richtige Richtung und zockelte in die Schleuse. Mit einem kräftigen Stoß rückwärts stoppte sie Beluga auf und rannte nach vorne um ihm das Tau nach oben zu werfen. Bis er es oben um die Poller und sie es unten um die Klampe belegt hatte, stöhnte er schon wieder wie ein weidwunder Stier, weil es ihm nicht schnell genug ging. Sie konnte weiß Gott nicht gleichzeitig mittig, vorne und hinten anbinden.

Warum konnte er nicht einfach mal zugestehen, dass sie für ihn ständig über ihren Schatten sprang, den kleinen Feigling in sich bekämpfte und mit zitternden Knien und ohne Erfahrung Beluga kratzerlos in winzige Löcher manövrierte. Und das alles, um ihm weitere Wege zu ersparen oder bei Laune zu halten.

Sie ärgerte sich und nahm sich fest vor dieses Stöhnen nicht auf sich beruhen zu lassen. Doch dann überlegte sie, dass sie ja auch von ihm verlangte alles Unmögliche möglich zu machen und immer und zu jeder Zeit für ihre Sicherheit und Bequemlichkeit zu sorgen.

So würde sie halt noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Aber zum allerletzten Mal!!!

Um keinerlei Zweifel aufkommen zulassen, scherte sie ihm das Haupthaar und sammelte glühende Kohlen darauf in Form von missbilligenden Blicken.

Sie konnten sich sehr viel Zeit lassen und suchten täglich nach einem schattigen Plätzchen, doch das war ihnen selten vergönnt. Die Seille fließt von Ost nach West und bietet der Sonne von Aufgang bis Untergang einen ungetrübten Blick auf ihre Fluten. So war es nicht verwunderlich, dass die Bootsleute erst aufatmen konnten, wenn sie sich besann, dass es auch anderswo Arbeit gab und abends endlich hinter den Hügel kullerte um bei den Saudis die Datteln zu dörren.

Beim Ablegen machte Luciano einen Spagat zwischen Ufer und Boot und hisste anschließend die Lazarettflagge.

Manfred wurde von irgendeinem „Sauviech“ gestochen und sein Fuß schwoll beängstigend an. Beim Landgang in Louhans knickte er mit dem anderen Fuß um und holte sich eine Zerrung, auch dieser Fuß schwoll an. Die Überlegung auf beiden Booten die „Rot-Kreuz-Flagge“ zu setzten drängte sich auf. Schon allein der Gedanke an derart manövrierunfähige Kapitäne ließ die Damen über eine Neuverteilung der Befehlsgewalt nachgrübeln.

Glücklicherweise hatten sie wenigstens vorher ihr Kulturprogramm absolviert, so dass sich die Herren bis zum Markttag etwas erholen konnten.

 

 

 


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