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Es ist jedes Jahr das Gleiche

Es ist jedes Jahr das Gleiche. Wir sehnen den Frühling herbei. Allerdings sind unsere Beweggründe völlig unterschiedlich.

Mein Skipper verbreitet eine Unruhe um sich, die man nur als Entzugserscheinungen bezeichnen kann.

Neben der Couch im Wohnzimmer stapeln sich Haufenweise Prospekte, Bootskataloge und Handbücher. Der Tisch ist belagert mit Kanalkarten und Törnführern. Kaum bringt man noch ein Tässchen oder Tellerchen darauf unter ohne dass man gleich mit lautstarkem Protest zu rechnen hat.

„Mach mir nur keinen Durcheinander in die Karten!“ Als wäre das überhaupt noch möglich.

Bestellzettel und Gesicht werden immer länger.

Im Flur stolpert man über Kästen mit Filtern, Ölkanister und Gummidichtungen. Auf der Terrasse stehen die Fahrrädchen neben dem gewachsten Gummiboot und versperren jedes Durchkommen.

Der Kapitänsstuhl hat schon vor Wochen einen neuen Bezug erhalten und lässt sich nur unwillig zwischen Schlaf- und Gästezimmer hin und her schieben.

„Dieses Jahr will's ja wohl überhaupt nicht Frühling werden!“

Entweder räkelt er friedlos wie ein schwanzloser Lurch vor dem Fernseher oder er entwickelt beängstigende Aktivitäten.

Am Schwierigsten ist die Kochphase.

Hat er entdeckt, dass man sich mit Kochen gut einen halben Tag beschäftigen kann, bevor man aufs Neue Karten und Kataloge wälzt, habe ich keine einzige ruhige Minute mehr. Nicht, dass einer denkt, „ was will sie denn, sie muss ja nicht kochen“.

Oh nein, mein Einkaufszettel enthält urplötzlich Zutaten, die ich nicht mal aussprechen, geschweige denn irgendwo kaufen kann.

Ist dieses exotische Gericht denn einmal angerichtet, wünsche ich mir nichts sehnlicher als die guten alten Zeiten zurück, da es in netten Familien noch einen Vorkoster gab. Nun muss man zu seiner Ehrrettung neidlos zugeben, dass er wirklich gut kocht. Was sich gnadenlos auf meinen Hüften als Winterspeck sammelt.. Leider hält er sich für einen dieser Gourmetköche, die zwar kochen, aber den Saustall in der Küche ihrem niederen Personal überlassen. Das niedere Personal bin, in Ermangelung einer anderen Person, leider ich.

Und während ich die Knoblauch Spritzer seiner Kreativität von der Decke schrubbe, lasse ich einen Vortrag über mich ergehen, was denn so alles von Nöten ist um aus dem eingewickelten Boot wieder ein Schiff zu machen.

Natürlich ist ihm dabei völlig klar, dass er das einfach nicht schaffen kann, in der kurzen Zeit, die er dazu zur Verfügung hat, denn außer auswintern und Klar-Schiff, muss das Boot ja noch auf die Helling um das Unterwasserschiff zu streichen. Den Rumpf muss man evtl. auch noch malen, schließlich hat er ja im Herbst nur notdürftig diesen immens tiefen Kratzer an der Scheuerleiste ausgebessert, den ich Hans-Guck-in-die-Luft leichtsinnigerweise nicht verhindert habe.

„Kannst du denn zurzeit gar nichts machen an Bord?“ Die Frage wird mir leider abschlägig beschieden. Doch dabei fällt ihm sieden heiß ein, dass er ja unbedingt die Treppen vom Niedergang neu lackieren muss und das ganz hervorragend im Wohnzimmer machen kann. Denn da ist es ja schön warm.

„Hast du den Liegeplatz bezahlt?“ will er wissen, während er die Geschirrschublade umräumt.

„Und die Versicherung?“ während ich ihm die Weißelbürste reiche und aufpasse, dass mir die Dispersionsfarbe nicht in die Augen tropft.

„Soll ich dir den Teppich vom Salon holen zum sauber machen?“ ruft er von der Terrasse und macht den Strahler aus, damit ich ihn besser verstehe.

„Hast du mir das Bordbuch vom letzten Jahr ausgedruckt und abgeheftet? Knurrt er, als er das zweite Blatt der Bestellung ausfüllt.

„Such du im Internet nach Magneten. Ich geh mal ins Bauhaus neues Fliegengitter kaufen.

Es ist wirklich ein geruhsamer, völlig ereignisloser Winter

Nur bitte, wann, wann wird's endlich Frühling.

 

So erschienen Ausgabe 5/06 im Magazin Wassersport im Westen