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Kapitel 1
Heimat


Kapitel 2
Loreley

Kapitel 3
Die Mosel

Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin

Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône

Kapitel 9
Der Doubs

Kapitel 4

Canal de la Marne au Rhin

 

Im Hafen von Frankreich

 

Der Hafen von Toul lag wie immer voller Boote. Die meisten davon Engländer und Holländer.

Für Doris waren die Briten ein Herd der Erbauung, egal wo sie sie trafen. Und sie trafen sie eigentlich immer irgendwo. Sie liebte den englischen Humor, die ganzen Idiosynkrasien der Briten. Und sie amüsierte sich über deren komische Dünkelhaftigkeit Fremden gegenüber. Es ist den Briten nie gelungen das hochmütige, manchmal anmaßende Benehmen von Kolonialherren abzulegen.

Kam ein Schiff mit englischer Flagge in den Hafen, rannte bestimmt ein anderer Engländer um seinen Landsmann mit Handschlag zu begrüßen. Ihre Artikulation untereinander war dann meist für Ausländer unverständlich, was sich schlagartig änderte, trafen sie auf einen Nicht-Untertan ihrer Majestät. Dann präsentierten sie ihren Intellektualismus bis zur Magenverstimmung mit auf Hochglanz frisierter Schnauze.

Erstaunlich war eigentlich nur, dass es in England immer noch Engländer gab. Denn sie nisteten sich in allen französischen Provinzen ein, sie unterwanderten gallische Sitten und Gebräuche, und schmuggelten heimlich sogar die Times nach Frankreich. Doch die Franzosen waren wachsam. Todesmutig setzten sie ihre stinkige Andouillette gegen Mintsauce und Plumpudding ein. Wenn das nicht half, schickten sie Frösche und Schnecken ins Rennen. Die frogs nahmen heldenhaft den Kampf auf gegen les rosbifs. Keinesfalls hatten sie die lange Annektierung von Paris vergessen.

Das Wetter hatte sich immer noch nicht gebessert.

Ständig zogen neue Staffeln triefender Wolken über sie hinweg.

Sie konnten lernen wie vielgestaltig Regen sein konnte. Sprühregen, der mit feinen Strahlen einhüllt wie prickelnder Champagner, oder Landregen, der wie mit einer Riesendusche nieder strömte.

Der Klangreichtum des Regens. Tropfen wie das Ticken eines Chronometers. Rieseln, wie das Ausschütten von Getreidekörnern. Plätschern, pladdern, platschen. Trommelrhythmus wechselnder Intensität, bis zur Verschmelzung der Klänge zum Rauschen eines Wasserfalls.

Regen war wie ein sich ständig wandelndes Wesen, das sie fortwährend begleitete.

Vermummt in Regenjacken machten sie sich auf Toul zu erkunden. Die Stadt durch das kritische Auge der Kamera zu betrachten war eine Herausforderung, denn die Innenstadt war weit weniger malerisch als die Festungsanlagen vermuten ließen.

Aber es gab noch eine andere Herausforderung.

„Wo ist die Karte?“ knurrte Manfred.

„Welche Karte?“ schnauzte sie zurück.

„Na, die Karte vom Marne-Saône!“ Das klang schon ein bisschen ungeduldig.

„Da wo alle Karten sind, nehme ich an!“ Leichtes Verdrehen der Augen und Herabziehen der Mundwinkel, einhergehend mit Wackeln des Kopfes.

„Da ist sie nicht!“

Und siehe da, sie hatten keine.

Nach § 1 konnte der Kapitän natürlich für diese Unterlassung nicht zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem erklärte der natürlich lakonisch, dass für die Planung grundsätzlich der Admiral zuständig sei. Und im Übrigen hätte er keinerlei Bedenken diesen Kanal auch ohne Karte zu fahren, denn ein Verirren wäre auch, trotz mangelnder Organisation des Admirals, kaum möglich. Was natürlich nicht heißen sollte, dass diese Unterlassung so einfach unter den Teppich zu kehren wäre. Im Gegenteil. Eigentlich wären hier mehrere cubis vin rouge von Nöten um die Mannschaft gnädig zu stimmen und eine Meuterei zu verhindern. Obwohl seine Empörung an ihr abflossen wie Wasser an einer Ente, wurden mehrere Cubis im einige Kilometer entfernten Intermaché geordert und die Bordfrau durch die Straßen der Innenstadt gezerrt, auf der Suche nach Buchhandlungen, die evtl. eine Kanalkarte anzubieten hätten. Und siehe da, bereits in der Dritten wurden sie fündig.

„Dass es mitten in Frankreich eine Bücherei gibt, die eine erstaunliche Auswahl an Kanalkarten führt, hätte ich wirklich nicht erwartet!“ knirschte die Frau Admiral etwas empört, denn die Cubis waren bereits mit schadenfrohem Grinsen in der Bilge verstaut.

In Toul trennten sich die Wege von „Skorpion“ und „Beluga“.

Die Engländer würden sagen: “They was not our cup of tea.”

Hatten sie wirklich erwartet mit jedem zufällig Getroffenen einen Gleichklang zu finden? Ein bisschen viel verlangt.

„Skorpion“ setzte ihren Weg Richtung Vogesenkanal fort und „Beluga“ begrüßte die, durch diverse kleine Hemmnisse, etwas verspätete Ankunft von „Chez Otti“ und ihrer Mannschaft Margreth und Luciano, der man einen eigenen Bericht widmen könnte.

Warum das Boot „bei Otti“ hieß, konnte keiner so Recht erklären, wo doch selbst die Katze Moni gerufen wurde.

Nach dem Motto, es gibt immer einen Grund zum Genießen, man muss ihn nur finden, wurde auf dem Achterschiff von Beluga eine Riesenpfanne Crevetten gebraten, mit so viel Knoblauch, dass die Passanten am Hafen verschämt in ihre Taschentücher hüstelnd den Kopf zur Seite drehten.

Luciano allerdings behauptete, dass tote gekochte Würmer alles andere als ein Genuss für ihn seien. Und es wäre nur gut, dass diese fragwürdige Angelegenheit bereits am frühen Abend stattfinden sollte, damit er anschließend Zeit habe in unermüdlichen Zuckungen seines Darmes diese drei Dinger wieder auf dem gleichen Weg los zuwerden, wie sie in den Magen gezwungen worden wären. Denn mehr würde er keinesfalls hinunterwürgen. Erstaunlicherweise verschlang er dann nicht nur seine Portion, sondern ließ sich noch zweimal Nachschlag verpassen. Tupfte das herrlich knofelige Olivenöl auf und konnte sich zwischen Baguette und Knoblauchbutter überhaupt nicht mehr erinnern jemals auch nur ein Wort in Richtung ekelhaftes Ungeziefer getan zu haben.

Sie spülten mit reichlich Maibowle nach. Sie schmeckte wunderbar, kippte aber auch ganz schön. Ein Grund für den Herrn Kapitän den anhänglichen Freund Gastritis mit ein wenig Basenpulver einzulullen, bevor er sein müdes Haupt ins Kissen bohrte.

 


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