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Kapitel 1
Heimat

Kapitel 2
Startschwierigkeiten am Rhein


Kapitel 3
Die Mosel


Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin
Wer den Schaden hat spottet jeder Beschreibung

Im Tunnel von Mauvages
Es geht abwärts


Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône

Kapitel 9
Der Doubs

Kapitel 4

Canal de la Marne au Rhin

Es ging abwärts mit Ihnen

 

Nach diesen beiden turbulenten Tagen waren die Bordfrauen leicht geplättet und die Herren Schiffsführer in ihrer unendlichen Güte legten einen Ruhetag ein.

Natürlich brauchte Kapitän Manfred keinen Ruhetag. Er rieb seine operierte Schulter nur mit Trauma-Salbe ein, weil diese so hervorragend roch und dem faden Unterhemd einen netten rosa Tatsch verlieh.

„Montag um 8 geht's weiter!“ lautete sein Befehl.

Montag um 8 zeigte die Schleuse Nr. 2 feuerrot.

„Luciano, du hast nicht gedrückt!?!“ Das war keine Frage, das war eine Feststellung von Kapitän Manfred.

Natürlich hatte Luciano an der Schleuse 1 beim Abfahren nicht gedrückt. Über VHF meldete sich keiner. Selbstverständlich nicht. Die Franzosen haben's nicht so mit telefonieren.

Luciano drehte, fuhr zurück, um Schleuse 1 zu signalisieren, dass da ein Schiff weiter will. Auch keine Reaktion, obwohl um kurz nach 7 bereits eine Peniche geschleust hatte.

Am Telefon des Schleusenhauses ließ er sich aufklären, dass Sportboote bis 31.Mai erst ab 9 geschleust würden.

So stand es eigentlich auch in der Kanalkarte. Man müsste sie nur lesen und dann auch noch glauben was da stand.

„Die Kerle hocken ab 7 in ihrer Relais-Station und warten bis um 9, bis sie die Kammern für Sportboote frei schalten. Die spinnen doch. Ich glaube, die ärgern mich dieses Jahr, die Franzosen.“

Seine sich daran anschließenden Flüche nahmen die ganze Bandbreite ein, von Heiratsschwindler über nicht ganz „knuschber“ (das ist pfälzisch) bis Fallensteller und noch einige andere Undelikatessen.

Diese Tirade brachte sie vielleicht ihrem neuen Traum Richtung Russland oder Polen ein Stückchen näher.

Manfred ärgerte sich gerne und oft. Da müsste er doch in diesen Ländern richtig in seinem Element sein??!!

Allerdings kam er an diesem Tag voll auf seine Kosten. Bereits die Schleuse 7 ließ sich wieder betteln und nur mit Hilfe der Relais-Station öffnen.

Der Kanal führte durch eine wunderschöne, idyllische Landschaft. Saftige Blumenwiesen, der kleine Bach Ornain, der fröhlich neben ihnen herplätscherte, Wald, Felder, Weiden, manchmal ein Bauernhof. Natur pur. Nur unterbrochen vom jubilieren der Vögel und dem erschreckten Aufflattern eines Reihers.

Hier konnten sie die Seele baumeln lassen und Ruhe tanken. Gelassenheit und inneren Frieden, den man so nötigt brauchte in dieser hektischen Alltagswelt.

Und endlich schien die Sonne herab und flutete das kleine Tal bis zum Rand mit Wärme und Farbe. Leider nicht lange.

Das Tor der Schleuse 8 weigerte sich, sich komplett zu schließen und wartete verdrossen auf den Mechaniker.

Noch hatten sie Ecluse neuf nicht erreicht. Die war jedes Mal, wenn sie hier durch kamen, ein Fiasko. Da auch der Schleusenmeister das wusste, blieb er gleich bei ihnen. Doch dieses Mal hätten sie ihn gar nicht gebraucht.

Problemlos meisterten sie auch die nächsten Schleusen. Ab Ecluse 18 wurden sie von einem Schleusenwärter begleitet. Bis Vitry-le-Francois wurden alle Schleusen manuell bedient.

In Bar-le-Duc machten sie dieses Mal nicht Halt. Der Anleger direkt neben dem Bahnhof war laut und für Lucianos Katze für die Katz. Auch die Spezialität des Ortes, Johannisbeer-Marmelade von Hand mit einem Federkiel entkernt, wollten sie nicht wieder kaufen. Vor 5 Jahren hatten sie pro winzigem Gläschen 25 DM bezahlt und ihre Freunde hatten sie völlig pietätlos auf einmal aufs Frühstücksbrötchen geschmiert und verschlungen.

Sie suchten sich mal wieder einen Rastplatz im Grünen. Tisch und Stühle kamen in die Wiese und zwei Cote de bœuf, groß wie Abtrittdeckel, auf den Grill. So ließ sich das Leben schon aushalten.

 

Sie hatten zwar an der letzten Schleuse mit dem Schleusenwärter die Abfahrt für den nächsten Tag ausgemacht, doch man konnte sich darauf verlassen, dass in Frankreich die Uhren anders gingen. Zeit war für Franzosen kein Begriff. Sie hatten eine völlig andere Einstellung dazu als z.B. Deutsche. Franzosen haben Zeit im Überfluss. Vielleicht haben sie die Zeit gefunden, hinter der die Deutschen ständig herhinken, sie suchen, weil sie sie verloren haben.

Um so erstaunlicher war, dass doch tatsächlich um Punkt 9 ein kleiner weißer Panda über den Treidelpfad flitzte. Dabei waren sie doch völlig sicher, dass man sie hier in der Einsamkeit völlig vergessen würde. Mit dem stämmigen jungen Schleusenwärter ging es im flotten Gänsegalopp weiter nach Vitry-le-Francois.

30 Schleusen am Tag zu fahren bedeutete für Doris 30 mal aufstehen, 30 mal bücken und das Tau aufnehmen, 30 mal das Tau über den Poller werfen, 30 mal das Boot heranziehen und festhalten, 30 mal das Tau einziehen, 30 mal ans hintere Tau gehen, 30 mal den Vorwärtsdrang des Bootes mit dem Tau abstoppen, 30 mal das hintere Tau loswerfen und für Manfred bedeutet es 30 mal vom Schiff hüpfen und dem Schleusenmeister helfen die Tore zu bedienen. Und in den kurzen Pausen der Stauhaltungen hieß es: „Machst du mir einen Tee? Holst du mir die Sonnenbrille? Hast du einen Kaffee gekocht? Bringst du mir einen Apfel? Ich könnte was Kaltes trinken............“

Zum Mittag sollte ein kleiner Imbiss gemacht werden. Jedes Mal zwei Stufen vom Achterdeck aufs Deck, zwei Stufen vom Deck in den Salon, zwei Stufen vom Salon in die Pantry, zwei Stufen zurück in den Salon, zwei Stufen vom Salon nach unten ins Achterschiff, eine Stufe hoch zur Toilette. Alles in allem vielleicht 50 mal am Tag und da fragten ihre Freunde ob sie denn genug Bewegung an Bord hätte. Und von den stundenlangen Märschen der Stadtbesichtigungen und zum Einkaufen sprach so und so keiner.

In Vitry zerrten die Herren die Damen so lange durch den Ort, bis sie im Leclerc ihr nächstes Cote de bœuf ergattern konnten.

„Wenn ich schon bei dieser Affenhitze mit dir durch die Stadt latschen muss um irgendwelche Altertümer zu fotografieren, dann kannst du ruhig mit mir die Supermärkte nach einem neuen Cote abklappern.“ Der Kapitän hat nun mal die Befehlsgewalt an Bord.

Für alle Eventualitäten gewappnet begannen sie ihre Fahrt in den Canal del á Marne a la Saône und den Aufstieg auf das Plateau de Langres, der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Ärmelkanal.

 

 


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