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Kapitel 1
Heimat


Kapitel 2
Loreley

Kapitel 3
Die Mosel


Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin

Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône
Windige Brüder
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Menschen und andere Typen

Kapitel 9
Der Doubs

Kapitel 8

Die Saône

Windige Brüder

 

Irgendwann verkündete Manfred: „Wir gehen jetzt ein Bier trinken.“

Sie gingen zu hause nur selten in ein Lokal, in Frankreich so gut wie gar nicht. Aber jetzt saßen sie vor einer Kneipe, auf Plastik-Stühlen an der Straße. Ohne Unterlass preschten Autos den sanften Hügel hoch, machten neben ihnen eine Vollbremsung, schlenkerten das Heck in die Kurve oder verschwanden über die Brücke. Junge Leute mit irre lärmenden Mofas ohne Auspuff grinsten sie frech an. Die Bedienung, eine freundliche graue Maus, wieselte zwischen Bar und Straße. Sie saßen unter Platanen, die der feste Wohnsitz eines Taubenschwarms war. Da konnte schon mal ein Häufchen auf dem Tisch landen. Sie tranken Schwarzbier, bière bruine , es war lecker. Sie nahmen mehrere. Das Lokal füllte sich. Eine rote Zora heulte ihren Freundinnen was vor und mehrere Taschentücher voll. Ein toller Gigolo drehte seine eleganten Runden mit einem weiß-blau-gestreiften MG-Cabrio. Der Mieter vom ersten Stock ging mit seinem altersschwachen Pudel Gassi, der konnte sein Pipi nur bis zu den Tischen halten. Sein Herrchen trug eine hochmodische, schwarze Dreiviertel-Hose. Darunter hervor lugte ein Bachstelzengleiches Stückchen Wade, aber nur bis zum Ansatz der weißen Tennissocken. Ein Bonvivant von gestern erschien in einem langen schwarzen Wollmantel bis zu den Knöcheln, Oberkörper nackt, Tarnkappen-Shorts, der Rest wieder nackt. Seine Mine so finster wie seine Füße schwarz.

Eine Dame erschien. Der ausgemergelte Körper eines Alt-Models im hauteng Getupften. Nicht zu überhören das Klimpern ihrer Armbänder. Hände beladen mit Steinen, so groß wie halb Frankreich. Augenumrahmung die ihrem Blick wohl den Charme einer Sirene verleihen sollte aber eher an einen Zombie erinnerte . Der Rest des Gesicht ein mobilitierter Madensack unter fleckiger Schminke. Sie vermittelte den Eindruck als hätte sie ständig eine Axt hinter ihrem Rücken versteckt.

Mehrere Rubensweiber schlängelten sich bauchfrei, nicht nabelfrei, denn den konnte man in den Speckfalten nicht mehr sehen, an ihnen vorbei. Auch die geschickteste Schneiderin konnte aus dem Ohr einer Sau kein seidenes Westchen nähen.

Sie hatten sich jedenfalls alle Mühe gegeben ordentlich in ihre Cellulitis-Rollen hinein zu wachsen.

„Nach dem nächsten Krieg“, warf Doris ein, „sind die Dicken dünn und die Dünnen tot. Sucht's euch aus!“

Dann zählte sie zufrieden die vielen Citroen, die vorbeifuhren.

« Quarte bière bruine, s'il vous plait, Madame! »

Ein aufrechtgehendes Zotteltier mit leicht gebeugtem Rücken küsste sich durch alle anwesenden Teenies. Ein Dreizentner-Mann, dessen Moped-Sattel zwischen seinen Backen nicht mehr auszumachen war knatterte vorbei. Sein Kinn traf ohne Komplikationen seine Nase.

„Wenn der mit dem Kinn gegen eine Hauswand brummt, “ sagte Manfred, „dann haut's mit absoluter Sicherheit nen Hohlblock raus.“

Auf den Schreck nahmen sie noch ne Runde. To Bier or not to Bier!

Jeder zweite Gast hatte ein Handy am Ohr. Aber das machte nichts, bei dem Krach rundherum konnte man sich eh nicht unterhalten.

Margreth schmunzelte, sie hatte ihrer Leber einen Duckungs-Befehl geschickt.

  „Was die Leute nur daran finden auf der Straße zu sitzen und mitten in dem Krach und Gestank zu trinken oder gar zu essen, “ mokierte sich Manfred.

Ja, was wohl?

 

 

Es gab für die Sonne nur zwei Möglichkeiten, entweder sie schien, oder sie schien nicht. In der Saône schien sie eigentlich immer.

Auch als sie in Tournus ablegten. Ein fröhlicher Südwind schickte ihnen von Zeit zu Zeit eine leichte Brise unters Verdeck. Sie suchten sich ein nettes Plätzchen am Ufer. Da war der Wind schon richtig lustig. Manfred setzte seinen Heckanker und Doris warf vorne ihr Tau um einen Poller. Ja richtig. Mitten in der Wildnis hatte wohl ein Angler einen richtigen Poller ins Ufer gehauen um seinen Kahn anzubinden und sie hatten, die Welt ist voller Mirakel, direkt davor angelegt. Während Manfred sein obligatorisches Mittagsschläfchen hielt und Doris am Computer saß, verlor der Südwind seine Laune und fauchte immer aufdringlicher. Es machte einen kräftigen Rums, als Chez Otti mit dem Heck gegen Belugas Breitseite donnerte. Sie bohrte sich mit der Nase ins Ufer und scheuerte mit der hinteren Ecke an Belugas Rumpf als wolle sie ein Loch hineinbohren. Natürlich hing an dieser Stelle kein Fender. Wie von der Sehne geschnellt stürmten alle nach draußen. Luciano jumpte an Land und versuchte Chez Otti nach hinten zu drücken. Doch da stand sie an Beluga an. Doris und Manfred drückten gemeinsam hinten weg, der Erfolg war mäßig. Als es endlich gelang einige Zentimeter gut zu machen, riss sie einen Fender nach oben und klemmte ihn dazwischen.

„Nimm die Finger da raus“, brüllte Manfred durch den Sturm, „sonst sind sie ab.“

Er war als 90 Dezibel-Mann geboren.

In fliegender Hast banden sie Chez Otti ab und versuchten sie ein Stück wegzuschieben. Sie bewegte sich keinen Millimeter. Manfred hechtete zum Anker und begann Beluga nach hinten wegzuziehen.

>Was macht nur einer, der nicht gebaut ist wie Tarzan? <, fragte sich Doris während sie sich zwischen Beluga und Chez Otti verkeilte.

„Wirf den Motor an“, schrie Manfred nach vorne.

„Das Bugstrahl auch?“, schrie Doris zurück.

„Alles, hier können wir nicht bleiben.“

„Hascht jetzt g'nug Äktschen, Madel?“ plärrte Luciano durch den Sturm, während steile, schaumgekrönte Wellen versuchten in sein Cockpit zu schauen.

Auch seine angeborenen Dezibel übertrafen das Normalmaß um ein Vielfaches.

Sie begannen eine Odyssee mit der Suche nach einem neuen Nachtplatz. Entweder war das Ufer zu flach, oder bewachsen mit Schlingpflanzen und Seerosen. Einem Bumsboot neben ihnen flog Tisch und Sonnenschirm über Bord. Amerikaner merkten gar nicht, dass sich ihr Bimini verabschiedete. Der Wind gebärdete sich immer wilder und schaufelte glühendheiße Luft aus Zentralafrika in das Flusstal.

Die Sonne schickte sich bereits an hinter die Bäume zu sinken, als sie endlich ein Plätzchen fanden, das etwas windgeschützt und ausreichend tief war.

Der Barometer fiel ins Uferlose und das Fernsehen brachte eine Unwetterwarnung mit Hagel, Gewitter und Sintflutartigen Regenfällen.

„Die Franzosen können nicht mal ein ordentliches Gewitter machen“, maulte Manfred am Morgen, „es hat so gut wie nicht geregnet, nur gewalttätig geblitzt und gedonnert.“

Doris sagte kein Wort, sie hatte überhaupt nichts gehört.

Die Franzosen konnten vielleicht kein ordentliches Gewitter machen, doch es gelang ihnen problemlos die Sahara zu leeren und ihr Land damit zu düngen.

Beluga war mit einem ockergelben Schleier bedeckt.

Sie fuhren in den Unterlauf des Doubs um hier die angekündigten Unwetter abzuwarten. Es war brütend heiß, das Thermometer näherte sich verdächtig dem 4. Zehner. Der Barometer stand auf stürmisch, so hatten sie ihn noch nie gesehen. Doch es geschah nichts.

Eine Armee dunkler Wolken zog von Süden heran.

Wolkenberge türmten sich zusammen zu grauen Wolkengebilden mit hellen silbrigen Rändern, durch die hier und da die Sonne in fächerartigen Strahlen durchbrach um Wasser aus dem Fluss zu tanken. Sie verhießen nichts Gutes. Bis jetzt hatte es nicht nennenswert gedonnert oder geblitzt. Die Luft war unheilvoll geladen. Im Jura flackerte der Himmel als wäre ein Krieg ausgebrochen, doch die Einschläge kamen nicht näher. Dann drehte das Unwetter ab, wanderte davon und entließ die Bootsfahrer in eine heiße, feuchte Nacht.

„Manfred“, rief Luciano am nächsten Morgen etwas atemlos aus den Tiefen seines Bootes, „ mein WäCää pumpt nicht ab.“

Er bekam einige mehr oder weniger gute Ratschläge.

Doch irgendwie funktionierte es nicht.

„Ich glaube der Luciano stellt sich absichtlich so blöd an, damit ich ihm helfe“, grinste Manfred.

„Wart doch noch 2 Monat bisch du dasch merkscht“, grinste Luciano zurück.

Gemeinsam spülten sie den Sand aus seiner Clopumpe und anschließend den Wüstensand von Chez Otti und Doris durchs Küchenfenster auf den Computer.

Sie wurden für diese Tat lautstark gelobt.

 

 


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