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Kapitel 3

•   Die Mosel
•   Moselwein
•   Koblenz
•   Winningen
•   Viele Burgen
•   Die Mosel und ihre Anrainer
•   Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang
•   Trier
•   Luxemburg
•   Die Mosel in Frankreich

Die Mosel und ihre Anrainer

Die Mosel hat einen ganz eigenen, kernigen Menschenschlag hervorgebracht. So eine Mischung aus Hunsrücker und Eifeler, ein bisschen Pfälzer und Saarländer und so ein leichter Hauch vom Elsässer und sie hatten auch immer ihre ganz eigenen Ideen. So kam es denn im Jahre 1848 zu dieser Geschichte:

Es war eigentlich nicht recht einzusehen, warum die Moselländer Anno 48 nicht auch ihre Revolution haben sollten. Waren die Kochemer etwa schlechter als andere Leut, und sollte man auf sie mit Fingern weisen, weil sie zum allgemeinen Fortschritt nichts beigetragen hatten? Die Alten freilich meinten, so eine Revolution wäre eigentlich mehr etwas für die Jungen, die wollten auch mal ihren Spaß haben, leben und leben lassen, und dann erzählten sich die Hausväter, was sie selbst früher für forsche Burschen gewesen wären. Unter den Jungen führte jedoch der Bäcker Jean oder vielmehr Schäng Braillon das große Wort. Der war vier Jahre bei den Preußen gewesen und musste also wissen, wie man so eine Revolution machte. So wurde der Schäng denn zum Anführer gewählt, und allen war klar, dass dem Landrat zumindest der Kopf ab gehörte und der Bürgermeister daneben gehangen. Mit diesen guten Vorsätzen marschierte man einträchtig zum alten Unionsgarten, wo die Herren sich jeden Nachmittag zum Solo trafen.

Das Solo ist ein altes Kartenspiel, das spanische Regimenter im Dreißigjährigen Krieg den Moselländern vermachten. Viele behaupteten, das wäre nicht das einzige spanische Andenken gewesen, und überhaupt hätten sich ganze Schwadronen der Spanier selbst nach Friedensschluss von der Mosel nicht trennen können. Ob das nun der Moselländerinnen wegen geschehen war oder um draufzuschauen, dass auch allzeit das Solo nach den Regeln gespielt würde, ließ sich Anno 48 nicht mehr genau feststellen. Bei diesem Spiel also saßen die Herren.

Nun war aber zufällig ein Rittmeister von den Trierer Husaren auf Remoentekommission in Kochem. Den hatte der Herr Landrat zur Kartenpartie mitgebracht, und der Herr Rittmeister hatte gerade Treffdame, Atousieben, Piquedame und sonst noch einen Stall von Trümpfen aufgenommen, als die Kochemer Revolution ausbrach.

Mit einem solchen Spiel in der Hand wäre ein Engel über die Störung ergrimmt, und der Rittmeister war nur ein Preuße und kein Engel. Er schimpfte demnach nicht schlecht über die ungehobelten Sitten der Kochemer. Die Kochemer hingegen drängte es, sich als gute Revolutionäre zu erweisen und gaben ihn auch nicht viel nach, kurz, es war eine Stimmung wie im Trojanischen Krieg, und wer weiß, was nicht alles hätte geschehen können, wenn der Schäng nicht so völlig auf der Höhe gewesen wäre.

Schockschwerenot! schrie er seine Leute an, wo sie denn ihre Augen hätten! Der Herr Rittmeister wäre doch des Schängs eigener Schwadronschef gewesen bei den Preußen in Merseburg, wo doch, wie höchstens ein minderer Zivilist nicht wüsste, die Trierer Husaren vormals gelegen hätten. Und überhaupt, es wäre eine Schweinerei! Und wenn sie keine Achtung vor der Uniform nicht hätten und keine Disziplin, könnte nie im Leben aus ihnen etwas werden, am wenigsten Revolutionäre. Das sagte der Schäng und noch einiges mehr, bis er seine Leute in Reih und Glied hatte. Dann kommandierte er: der Herr Rittmeister lebe hoch und noch einmal und zum drittenmal hoch!, worauf die Herren auf den Bänken zusammenrückten, damit alle zur allgemeinen Verbrüderung Platz haben möchten.

Da aber zeigte sich die Strategie des Schäng in ihrer ganzen Größe. Denn bei dem Wetttrinken, das nun anhob, wurde die königliche Armee von den revolutionären Streitkräften vollkommen geschlagen. Einfach aufs Haupt!

So war es in Kochem.

In Moselkern verlief die Revolution weniger rühmlich. Und das geschah wegen dem Bäbbche. Nicht dass nun dat Bäbbche verräterische Beziehungen zum König von Preußen unterhalten hätte. Das hätte sie aber doch sehr in Abrede gestellt! Mit Recht! Denn dat Bäbbche war ein anständig Mädche, weswegen sie denn auch einzig und allein Beziehungen zum Köbes unterhielt. Und der war Schneider und kein König.

Doch dass die Moselkerner Revolution an einem schönen Sonntagnachmittag stattfinden sollte, damit hatte es seine Richtigkeit. Sonntagnachmittag musste es sein, weil man am Vormittag wegen der heiligen Messe nicht konnte, und werktags hatte man im Weinberg zu tun. Zwar spritzte man damals noch nicht und behandelte die Trauben auch noch nicht mit wissenschaftlichen Fremdwörtern, wie das heute geschieht; aber Arbeit war doch immer. Inzwischen waren dennoch, damit wenigstens etwas getan wäre, dem Ortsvorsteher die Scheiben eingeschmissen worden, und dann machte man Ernst . Besonders die Weiblichkeit war unerbittlich. Mit Schrubber und Seife zogen sie über Fußböden und Tische und Bänke her, während die jungen Männer sich wie immer die vergnüglichere Aufgabe aussuchten. Tannengrün holten sie, und in allen Straßen errichteten sie Triumphbögen mit wunderschönen Sprüchen wie: „Ein Wilkumm unsre Briehder!“ oder „Nihder mit die Thüranen!“ oder „Hoch dem freidigen Folke!“ Und über die Rechtschreibung sollte niemand sich wundern, der Alte Fritz hat es genau so gemacht. Die Schilder aber mussten sein! Denn die Moselkerner sind an der ganzen Mosel viel zu sehr als gastfreundlich bekannt, warum denn auch bei ihnen jedes dritte Haus immer ein Wirtshaus ist. Patriotische Wallungen verbanden sich dabei mit mehr konjunkturellen Erwägungen, um hinsichtlich des revolutionären Fremdenverkehrs die Spannung aufs höchste zu steigern.

Die Moselkerner wollten nämlich ihre Revolution keineswegs nur so unter sich und ohne Zuschauer machen, nein, noch in späten Zeiten sollte davon die Red gehen am ganzen Fluss! Und darum mussten die Münstermaifelder – die man aber, wenn sie es hören, beileibe nur „Münsterer“ nennen darf! -- mitsamt ihren sieben Kirchspielen her, und vom Bäbbche der Köbes sollte den Revolutionsboten machen und sie holen.

Nun ist jedoch eine Frau durchaus nicht immer mit der Auszeichnung des ihr eigentümlichen Mannes einverstanden, und zwar meist dann nicht, wenn der Auftrag den so Geehrten vorübergehend ihrem Machtbereich entzieht. Mädchen, vornehmlich wenn sie heiraten wollen, sind darin nicht anders, so dass also dat Bäbbche in jedem Fall, und wie man ihre besondere Lage auch ansehen mochte, vollkommen im Recht war, wenn es den Köbes nicht in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt sehen wollte. Dat Bäbbche kannte das eigene Geschlecht zu gut, um nicht zu wissen, dass so etwas immer eine Anziehung ausübt. Bevor sich der Köbes also anschickte, den Höhenweg hinter der Kirche hinaufzusteigen, bekam er von ihr ein Esspaket und eine Zweiliterflasche in die Arme gedrückt. So eine Flasche ist schwer und hat's in sich, dachte dat Bäbbche, und die Flasche und der steile Weg und die Hitz würden's schon schaffen.

Darin hat sich dat Bäbbche denn auch nicht getäuscht.

Doch alles wäre trotzdem gutgegangen, wenn oben auf der Höhe nicht die Marienkapelle gestanden hätte. Sie dient noch heute zuerst der Frömmigkeit; dann aber auch als Unterstand bei Regen, und dem eifrigen Jäger gibt sie das Zeichen zum Entkorken der ersten Flasche. Der Köbes sah nun keineswegs ein, warum ihm nicht recht sein sollte, was dem Jäger billig war. Doch da er zugleich sich der schweren Flaschenbürde entledigen wollte, zeigte es sich, dass zwei Liter, schnell weggetrunken, selbst für den Köbes ein bisschen viel waren, und war daher bald der grimmige Revolutionsbote in der Hut der Himmelsgöttin sanft entschlafen.

Dass aber die Himmlische schließlich selbst vom Sockel gestiegen wäre, um den Pflichtvergessenen mit den Worten: „Jakob, Jakob, erhebe sich“ oder so ähnlich liebreich zu wecken, diese gemütvollere Darstellung ist wohl mehr der Verklärung zu danken, in der weniger rühmliche Zufälle dem schlichtfrommen Sinn des Köbes zuweilen erschienen. In der Wirklichkeit war es dat Bäbbche, und das sagte nicht vornehm „Jakob“, sondern „Köbes“ und noch allerhand hinterher, was hier nicht hingehört. Und es wäre eine Schand, schloss dat Bäbbche, und der Köbes sollte sich lieber gar nicht mehr sehen lassen, und das Beste wäre, sie heirateten bald, dass er auf diese Weise wenigstens wieder zu einer Reputation käme.

So war es aber schon im Paradies: die Verführung geht aus vom Weibe und haftet am Manne, und die Geschichte mit Simsons Haaren verhielt sich ungefähr ebenso, nur dass Simson deswegen nicht zu heiraten brauchte wie der Köbes das musste.

Jedenfalls ist es einzig dem Bäbbche sein Schuld, wenn unter diesen Umständen aus der Moselkerner Revolution nichts geworden ist.

 


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