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Kapitel 1
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Unterkühlt auf der Mosel
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Canal de la Marne á la Saône

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Auf der Saone


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Kapitel 9
Der Doubs

 

Unterkühlt auf der Mosel

 

Sie waren nicht alleine an Bord. Sie waren eigentlich noch nie alleine unterwegs in den letzten Jahren. Immer war ein Störenfried dabei: die Windsbraut.

Sie blies Manfred frech und aufdringlich ins Gesicht und je mehr er sich über sie ärgerte, desto frecher und wilder wurde sie. Es ist halt nicht alles Trübsal was bläst.

Immerhin hatten sie großes Glück, denn bereits in Koblenz konnten sie hinter der „Remacum“ aus Wasserbillig in die Schleuse einfahren. Ohne jeden Aufenthalt. Vielleicht sollten sie einen dicken roten Punkt in den Kalender malen. So was passierte an der Mosel nicht so oft.

Und genauso flott ging es mit der „Remacum“ weiter. Vielleicht waren die kleinen Unpässlichkeiten des Anfangs ja doch kein schlechtes Ohmen. Auch das Wetter meinte es noch gut. Erst gegen Abend begann es zu tröpfeln und sie verkrochen sich in den Hafen von Treis.

Zwei kleine Sportboote, die sie unterwegs überholt hatten, gesellten sich zu ihnen. Es wurde ein lustiger Abend. Doris mag dicke Menschen unheimlich. Dürre sind sicher nicht bei der Auferstehung des Fleisches dabei und Dicke sind meist gemütlich und lustig und das Schöne ist, sie lassen sie daneben manchmal richtig schlank aussehen.

Früh am nächsten Morgen waren sie wieder unterwegs. Das Wasser der Mosel lag wie ein glänzender Teppich vor ihnen. Die Wald bewachsenen Hänge leuchteten in allen nur möglichen Grüntönen der Farbpalette. Ja, der Frühling hatte sich wirklich richtig angestrengt.

Und wieder hatten sie unverdientes Glück. Die „Windrose“ aus Hirschhorn, dem nostalgischen kleinen Neckardörfchen, beladen mit Schrott, nahm sie nach zwei Stunden Fahrtzeit mit durch die nächste Schleuse.

Am Edinger Feuerberg war endgültig Schluss mit lustig. Der Regen zog einen Grauschleier über Himmel und Erde und verschluckte mit Melancholie alle Farben.

Der Alltag an Bord spielte sich auf dieser Reise problemlos ein. Haushalt, ja den musste sie machen. Das kleine Bad machte die meiste Arbeit. War die Anzahl der Haare, die sie jeden Morgen aufwischte ein Maßstab, dann waren beide wohl voll in der Mauser. Doch gegen die Wohnung zu Hause war es ein Klacks. Allerdings musste das Boot jeden Morgen trocken gerieben werden. Gingen der Tau der Nacht und der Staub des Tages erst eine Verbindung ein und trockneten an, konnte aus einem Weißwal schnell ein Grauwal werden. Was im Sommer eine angenehme Frühgymnastik war, führte bei diesen Temperaturen zu steifen, roten, klammen Fingern. Die Routine wurde bestimmt vom Rhythmus der Schleusen. An der Mosel war der Abstand zwischen den Schleusen noch recht lang. Da blieb Zeit um zu kochen, zu putzen oder zu schreiben. In Frankreich, in den Kanälen würde das anders werden.

Unterwegs sein kann wie auf der Flucht sein, vor sich selbst, und vor den Pflichten des Leben. Keine Verantwortung tragen und wie Oblomow in der Sonne sitzen und das Leben an sich vorüber ziehen lassen. Wer ein Stück Freiheit gewinnt, verliert ein Stück Geborgenheit. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein, wenn er das Recht für sich in Anspruch nimmt lange auf Familie und Freunde zu verzichten und auf Reisen zu gehen. Zwischen Wünschen und Träumen hat Logik keinen Platz.

Das kam Doris nach einem Telefongespräch mit der Heimat mal wieder so richtig zu Bewusstsein.

Wenigstens wagte sich die Sonne wieder hervor.

Regenjacke ausziehen. Sonnenbrille anziehen. Pullover überziehen. Sonnenbrille ausziehen. Regenjacke anziehen. Der Wettergott konnte sich nicht entscheiden.

 

 


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