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Kapitel 5

•   Auf der Suche nach dem Heimweg
•   Gerüchteküche
•   Der Doubs
•   Possen in Rancheot
•   Le Vin
•   Besuch
•   Menschen und ihr Boot
•   Grand Canal d'Alsace
•   Plobsheim
•   Der Rhein
•   Speyer

Der Doubs

 

Der Doubs ist einer der schönsten Flüsse die ich kenne. Entsprungen in einem Tal des Hoch-Jura grub er sich einen Weg durch die grünen Schluchten des Karstgebirges, fließt durch tief eingeschnittene Täler von ungezähmter Wildheit. Obwohl er heute kanalisiert ist und sich sein Bett auf große Strecken mit dem Rhein-Rhone-Kanal teilt, kann er immer noch mit gewaltigen Wassermassen seine Anwohner in Angst und Schrecken versetzen. Wie der Name des Kanals schon sagt, verbindet der Doubs den Rhein mit der Rhone, bzw. der Saône. Der Unterlauf des Doubs zwischen Dôle und Verdun-sur-le-Doubs ist allerdings nicht durchgehend zu befahren, deshalb wurde die Saône mit einem Kanal mit Dôle verbunden. Seerosenteppiche haben die Ränder des Kanals erobert, an vielen Stellen wurde er erst kürzlich ausgebaggert, denn die Schlammhaufen am Ufer sind immer noch feucht. Von Wassermangel keine Spur. Im Gegenteil, an manchen Stellen überschwemmt er sogar den kleinen Treidelweg. Die Schleusenhäuser sind fast alle geschlossen, die Schleusen wurden automatisiert. Ein hochmodernes Gerät mit einem Display, in einem mächtigen Kasten, einer Bedienungsanleitung in Englisch und Französisch (deutsche war nicht mehr vorrätig), einem Empfangsformular und einem Stromanschluss wird uns ausgehändigt. Der Stromanschluss ist besonders wichtig, denn leer sind die Dinger immer. Schon letztes Jahr mussten wir die Elektronik zweimal umtauschen, weil sie nicht funktioniert hatte. An altmodischen Automatikschleusen gibt es einen Drücker mit zwei Knöpfen „aufwärts“ und „abwärts“ und die funktionieren komischerweise immer. Nun, jetzt spannt halt Frankreich sein Eselchen vor den Fortschritt, übt sich in Elektronik und drei Sprachen mit einer schauerlichen deutschen Übersetzung. Was heißt nur „Felt ausgang“? Franzosen und Elektronik – Extreme berühren sich!

Was dieses kurze Kanalstück von allen anderen Kanälen in Frankreich unterscheidet, ist das Chemiewerk und seine riesigen Dekandierbecken. Neben dem Kanal wurde ein Damm aufgeschüttet hoch wie ein Berg. Nichts wächst an seinen Hängen, an manchen Stellen drückt die giftige Brühe ins Freie und hinterlässt eklig schillernde Rinnsale. An anderen Stellen sind Rohre angebracht, aus denen die Giftbrühe nur so sprudelt und sich am Fuße des Walles verliert. Das in die Schleusen einschießende Wasser riecht wie Mückenspray, nur viel intensiver und noch giftiger. Die Silos und das Gewirr der Rohrleitungen des Werks, die Gas- und Methyltanks, die graue Schicht, die alles überpudert, können einem schon Angst einjagen. Ätznatron, Eau de Javel, chlorhaltige Lösungsmittel und Kunststoffe, insbesondere PVC werden hier hergestellt. Erstaunlicherweise darf man das Werk sogar besichtigen, doch es ist immer ein gutes Gefühl dieser Bedrohung mit heiler Haut entkommen zu sein.

Und es ist auch ein gutes Gefühl Dôle wieder vor sich zu sehen. Dôle gehörte bis ins 14.Jh. zu Burgund. Dann strebte dieser Landstrich nach Unabhängigkeit, nannte sich Franche-Comté , Freie Grafschaft und Dôle wurde seine Hauptstadt. Aber der Sonnenkönig zwang die Franche-Comté unter seine Knute, die Freie Grafschaft wurde Französisch und Dôle verlor seine Hauptstadtfunktion an Besançon. Heute ist Dôle ein zauberhaftes altes Städtchen, mit verwinkelten Gassen, dem romantischen Viertel der Gerber und Müller, einer ansehnlichen Basilika und einer imponierenden Markthalle.

Für uns ist natürlich der komfortable Jachthafen wichtig. Nach ein paar „wilden“ Tagen ist immer mal wieder ein Tag am Strom angenehm. Leider muss man dann auch in Kauf nehmen, dass es nicht ein kleines bisschen Schatten gibt. Es erschreckt uns ein wenig, dass fast die gesamte Charterflotte im Hafen liegt. Es ist Hauptsaison, es ist herrliches Wetter und die Boote sind nicht im Einsatz. Ist die Konjunktur tatsächlich so entsetzlich? In ganz Europa? Auch viele Hotelboote liegen ohne Gäste, teilweise sogar ohne Besatzung, eingemottet, herum. Die Amerikaner hätten gecancelt , bereits im Frühjahr, wegen der Irak-Geschichte, erzählt man sich. Und die Amerikaner stellten ein groß Teil der Gäste, sind wohl so ziemlich die einzigen, die sich die Preise leisten konnten.

 

 

 

Das geschichtsträchtige Dôle ist natürlich ein beliebter Anlaufpunkt für die Hotelpenischen, man muss seinen Gästen doch auch was bieten. Und tatsächlich schiebt sich die „Fleur“ (allerdings auch leer) unter der Brücke durch. Wegen des flachen Wassers kommt sie nicht ans Ufer, ihr Heck steht sogar ziemlich über die Mitte des Hafenbeckens hinaus. Für Sportboote kein Problem, doch keine zehn Minuten später, ihr Propeller läuft noch, kommt eine voll abgeladene Penische von der anderen Seite. Penische „Scampolo“ aus Saarbrücken ist uns in Seurre schon mal begegnet. Der Schiffsmann hat alle Hände voll zu tun um seine Penische an dem Hotelboot vorbeizumanövrieren. Von Vollgas vorwärts auf Vollgas rückwärts muss er seinen Motor trimmen, aus dem Auspuff kommt eine schwarze Wolke, die das Hotelboot sofort im Dunkeln stehen lässt. Die Schiffsführer brüllen sich an, schütteln drohend die Fäuste, doch „Scampolo“ ist definitiv in der schlechteren Position, denn er braucht alle Hände am Ruder um am Heck von „Fleur“ vorbeizurangieren und nicht auf den Brückenpfeiler zu knallen. Manfred muss ihn dreimal rufen und warten, bis er seine Manöver beendet hat, bis sich der Saarbrücker meldet. 1,60 m durfte er abladen, erzählt er Manfred, nicht mehr, mehr gibt der Tiefgang des Doubs nicht her. Wenn er 1,60 m Tiefgang hat, muss der Doubs wenigsten 1,80 m Wasserstand haben, wenn nicht sogar einige Zentimeter mehr. Also war alles was wir gehört haben wieder mal ein Scheißhausgerücht. Wer nur setzt immer diese Geschichten in die Welt, die sich wie ein Lauffeuer in Frankreich verbreiten. Und wir Blödel fallen auch noch darauf herein und lassen uns verunsichern.

 

Es hat funktioniert. Wir haben den richtigen Weg gefunden. Es regnet. Man muss nur raffiniert genug sein, seinen Wunsch auf Mondwechsel legen und warten bis der Wetterbericht ein Tief ankündigt, dann muss man jedem erklären, dass er fest daran glauben muss und schon kann ein kleiner Spruch ein wahres Wunder vollbringen. Die Regentrude ist aufgewacht, es regnet. Wir werden noch ein paar Regentänze üben, vielleicht hält es einige Tage an.

Doch leider ist auch hier der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Regentrude hat wohl nur leicht mit einem Äuglein geblinzelt und ist sofort wieder eingeschlafen.

Immerhin sind die Temperaturen von 40° auf 30° gefallen.

Jedoch, gefährlich ist's den Leu zu wecken, das wusste schon unser Friedrich v. S. Der Wind heult wie die Wetterhexe persönlich. Dem Franzosen hinter uns fliegt das halbe Boot weg. In Sekundenschnelle sind wir zugeweht mit trockenen Blättern. Und dann entfesselt sich das Inferno. Die Natur holt nach was sie so lange entbehrt hat. Staub und Äste fliegen durch die Luft, abgerissene Blätter verstopfen unsere Ablaufrinnen und Manfred opfert sich zur Säuberung, damit uns das Wasser nicht ins Ruderhaus läuft. Er ist nass bis auf die Unterhose, doch er wollte ja heute abend sowieso duschen. Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei und es ertönt nur noch die stete Musik des Regens, der auf Metall und Glas trommelt und die Luft mit dem Duft von feuchter Erde und Laub erfüllt. Endlich!!

 

 

Im Doubs zu fahren ist vom ersten bis zum letzten Kilometer aufregend, ein Abenteuer, ein Erlebnis. Nie und nimmer hätte ich hier einen Adler erwartet, der majestätisch über uns seine Kreise zieht. Eher schon die drangvolle Enge, der man in manchem Kanalabschnitt begegnet.

 

Eine Premiere!! Heute haben wir zum ersten Mal eine Gottesanbeterin zu Besuch

 

 

 

 

 


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