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Kapitel 5

•   Auf der Suche nach dem Heimweg
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•   Der Doubs
•   Possen in Rancheot
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•   Besuch
•   Menschen und ihr Boot
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•   Speyer

Speyer

 

 

Und dann steht er vor uns, der Kaiserdom zu Speyer:

„Dich grüß ich, ragendes Wahrzeichen der Stadt! Dich grüß ich das Grab der deutschen Kaiser und der deutschen Herrlichkeit! Du bist uns durch der Zeiten Lauf geblieben ein Mahner an die Unvergänglichkeit des Ewigen, bist uns geblieben aus Krieg und Fährnis, bist uns aus lohendem Brand, aus Schutt und Asche immer wieder erstanden.“

 

Majestätisch, erhaben, ein Zeugnis für die Vorstellungskraft des Menschen und seiner Fähigkeiten, Ideen und Träume umzusetzen und auszuführen. Er ist ein beeindruckender romanischer Klotz, 1000 Jahre alt, und natürlich gibt es auch ein Märchen über ihn. Nach zwei Bieren im Brauhaus am Dom glaubt man es Wort für Wort.

Kaiser Heinrich der Vierte trat ans Fenster der kaiserlichen Burg in Speyer und schaute hinüber auf den Dom, den sein Großvater gegründet und sein Vater aufgerichtet hatte. Lange stand er tief in Gedanken versunken, dann schritt er zum Betstuhl, kniete nieder und sprach zu dem lebensgroßen Christusbild empor: „Mein Gott und Herr! Ich will den Dom zu Speyer, der einst meinen toten Leib aufnehmen soll, zu Ehren deiner heiligen Mutter zum größten und erhabensten Gotteshaus ausbauen, das je die Erde getragen hat. Das gelobe ich -- Kaiser Heinrich der Vierte“.

Am anderen Tag ließ der Kaiser den berühmtesten Baumeister jener Zeit nach Speyer kommen und die tüchtigsten Steinmetzen und Maurer in aller Welt wurden ausgewählt sein Gelöbnis zu erfüllen. Der Kaiser aber musste hinaus in die friedlose Welt das Reich verteidigen, denn es hatte viele Feinde. Und während er fern der Heimat in schweren Kämpfen stand, wuchsen in der Kaiserstadt die Gewölbe und Kuppeln des Domes empor und von den mächtigen Türmen riefen die Glocken ins Land, deren größte die Kaiserglocke war; sie klangen gewaltig und wundervoll zusammen, als wollten sie ihren kaiserlichen Stifter von den Händeln der Welt heim rufen in den Frieden des Kaiserdomes.

Erst nach sechs Jahren kehrte der Kaiser nach Speyer zurück, aber schon nach kurzer Zeit zog er wieder in den Krieg.

Heinrich der Vierte musste viele bittere Enttäuschungen erleben und mancher Krieg ging nur darum verloren, weil die Fürsten, die ihm Treue geschworen hatten, untreu wurden und ihn im Stich ließen. Ja sogar sein eigener Sohn, Heinrich der Fünfte, empörte sich gegen ihn, stieß ihn vom Thron und machte sich selber zum Kaiser. Von aller Welt verlassen, von seinem ungetreuen, verräterischen Sohn verfolgt, irrte der Kaiser ruhelos durch das Land.

Manches Jahr ging dahin, da kam der Kaiser als alter Bettler mit eisgrauem Bart in die Stadt Lüttich. Niemand kannte ihn, niemand reichte ihm ein Stück Brot und niemand wollte ihm Herberge geben. Traurig wankte der Bettler vor die Stadt hinaus zu einer armseligen Hütte, wo er krank und matt aufs Stroh niedersank. Das Fieber schüttelte ihn drei Tage lang, dann starb er mutterseelenallein.

In dem Augenblick aber, wo er seine Seele aushauchte, fing in Speyer die schwere Kaiserglocke an selber dumpf und feierlich zu läuten und die anderen Glocken des Domes und der ganzen Stadt stimmten in das Geläute ein und so läuteten die fünfzig Glocken der Kaiserstadt eine Stunde lang, ohne dass eine Menschenhand daran rührte. Das Volk aber lief erschrocken zusammen und sprach: „Was hat das zu bedeuten?“ Und dann ging es flüsternd von Mund zu Mund: „Der Kaiser ist gestorben, weiß niemand wo – weiß niemand wo....?“

Wieder gingen Jahre ins Land und der Schatten des Kaiserdoms zu Speyer fiel auf die Kaiserburg in der Heinrich der Fünfte mit dem Tode rang. Die höchsten Beamten des Reiches standen um die goldene Bettstatt, darin auf seidenen Kissen der sterbende Kaiser leise stöhnte. Immer langsamer und schwächer schlug sein Herz, immer matter klang sein Stöhnen -- bis das Herz der kaiserlichen Majestät stille stand.

Im selben Augenblick fing im nahen Dom die kleinste Glocke, das Armesünderglöcklein von selber an zu läuten. Es bimmelte hell und emsig und immerzu allein, denn keine andere Glocke der Stadt stimmte ein und es bimmelte solange, wie man gemeinhin brauchte um einen armen Sünder zur Richtstatt hinauszuführen. Das Volk aber lief in den Straßen zusammen und sprach: „Ein armer Sünder wird gerichtet, weiß niemand wo? Was hat er verbrochen? Wer mag es sein? Gott möge seiner Seele gnädig sein!“

Der letzte Tag unserer Reise ist angebrochen. D as ist die alte Crux unserer Spezies, man sieht es kommen, nur nicht so bald. Für eine Flussfahrt geben manche Leute viel Geld aus, mich macht sie melancholisch. Himmel hoch jauchzend, zu Tode betrübt. Jeder Kilometer bringt uns der Heimat und dem Ende unserer Auszeit näher. Wird es uns gelingen uns problemlos im Alltagsleben wieder zurechtzufinden? Robin hat ein neues Computer-Programm installiert, einen neuen Verkäufer eingestellt, ein Baby hat sich angekündigt. Till s Zeit als Soldat ist abgelaufen, er steht kurz vorm Abi, eine Anstellung hat er noch nicht, dafür ständig Zoff mit seinem Mieter. Den ganzen Sommer waren wir Zaungast, werden wir jetzt wieder mittendrin stehen? Arbeit ist was sehr gefährliches, wenn man nicht aufpasst, kann sie zur Gewohnheit werden.

Heute ist der Tag an dem die Gegenwart in die Zukunft übergeht.

Wir sind nicht mehr unterwegs.

les enfants du Paradies

 

a la prochaine

 

 

 


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