www. Beluga-on-Tour.de

 

 

Navigation

 

1 Der Rhein

2 Zwischenschritt

3 Die Ruhr

4 Rhein-Herne-Kanal

5 Dortmund-Ems-Kanal

6 Von Haren nach Groningen

7 Groningen

8 Von Groningen ins Lauwersmeer

9 Nach Friesland

10 Nach Alkmaar

11 Nach Amsterdam

12 Nach Gouda

13 Richtung Dordrecht

14 De Biesbosch

15 Vom Biesbosch nach Roermond

16 Die Maas

17 Auf der Mosel

18 Auf der Saar

19 Rhein-Marne-Kanal

20 Vogesenkanal

21 Saône

22 Doubs

23 Auf dem Rhein daheim  

 

Leinen los und los!

 

10

Nach Alkmaar

 

Die Westfriese Vaart führt von Medemblick durch topfplattes Land. Aber es ist anders als in Friesland. Hier gibt es keine ausgedehnten Weiden und Wiesen. Hier wird Ackerbau betrieben. So weit das Auge reicht bestellte Felder und dazwischen noch Gewächshäuser. Und jedes zweite Feld scheint gerade gedüngt zu werden. Mit Jauche, Gülle, Puddel. Es stinkt, dass wir uns kaum zu atmen trauen. Doch atmen soll gesund sein und ohne bekommt man ja ganz schlecht Luft.

Weil das Wetter so wunderbar ist und es gerade so gut läuft, hört Manfred schier nicht mehr auf zu fahren. Erst um 16 Uhr nehmen wir einen Platz in Middenzee. Ein winziges Nest, modern, keineswegs alt. Der Polder auf dem es liegt ist ja erst 76 Jahre alt. Wir nutzen die Gelegenheit unsere Bordvorräte aufzufüllen.

Der Kanal geht schnurgerade weiter. Die Alleen an seinen Rändern, jeder Baum im gleichen Abstand zum nächsten. Grünschnäbel sitzen an seinem Ufer und quaken entrüstet wegen der ungewohnten Störung.

Wer ungestörtes Bootfahren liebt, der ist hier sicher richtig.

Manfred hat in der Übersichtkarte die rote Route für uns ausgeguckt. Alle Brücken haben hier eine Höhe von 4 bis 5 Metern. Das passt gut für uns.

Unsere Fahrt endet abrupt in Kolhorn. Der Weg über den Omval-Kolhorn-Kanaal ist uns verwehrt. Die Brücke vor Alkmar ist derzeit nicht passierbar. Auch die Route Kanaal Schlagen-Kolhorn können wir vergessen, da sind die Brücken nur 2,90 m hoch und nicht beweglich.

Da ist guter Rat teuer. Was bleibt uns? Zurück ins Ijsselmeer und vielleicht über Amsterdam rauf nach Alkmaar oder über den Waardkanaal ins Amstelmeer, an der Küste entlang in den Noordhollands Kanaal.

Wir wollten Nord-Holland kennen lernen, also entscheiden wir uns für diese Route.

Bereits die erste Straßenbrücke in den Waardkanaal bleibt uns versperrt. Mittagspause!

Doch auch nach der Pause tut sich nichts. Kein Brückenwärter! Auch kein VHF Kanal, keine Klingel, keine Telefonnummer. Kein sonstiger Hinweis.

Auch hupen bringt keinen Erfolg.

Zwei Spaziergänger erbarmen sich unser.

„Ihr müsst zurückfahren, ums Eck, zu der Schleuse. Der Schleusenwärter bedient auch die Straßenbrücke!“

An Bord haben schon ganz andere ihr Waterloo erlebt.

„Dank u wel en tot ziens!“

Das ist allerdings nicht das einzige Hindernis das uns die Holländer in den Weg stellen.

Die Brücken sind alle nicht besetzt. An den Dalben vor den Brücken sind Klingeln aber leider tut sich da oftmals nix. Also telefonieren wir in der Gegend herum, wenn an den Brücken Telefonnummern stehen.

Irgendwie geht's immer weiter.

Es ist kalt und diesig und ich koche mal wieder heißen Tee, damit mein Skipper hinter dem Ruder nicht erfriert.

Das Amstelmeer ist ein kleiner Binnensee, der Waddenzee nur mit einem Damm abgetrotzt.

Er ist betonnt, und er ist ziemlich eintönig. Die Landgewinnung scheint noch nicht abgeschlossen, es stehen viele Bagger im See.

Vor der Schleuse in den Balgzandkanaal müssen wir auf ein Berufsschiff warten. Dann werden wir 10 cm runter in den Kanal geschleust.

Dieser Kanal läuft wie mit dem Lineal gezogen am Damm entlang. Schafe halten sein Gras kurz. Durch das Heben der Brücke haben wir gleich mal einen kilometerlangen Stau auf der gegenüberliegenden Straße verursacht.

Dann biegen wir ab in den Noordhollands Kanaal. Er ist an Tristesse kaum noch zu überbieten.

Das trübe Wetter macht ihn natürlich auch nicht freundlicher. Ganze Alleen von Windrädern in allen Größen begrenzen ihn. Dazwischen immer mal wieder antike Windmühlen, schön restauriert, aber leider stehen sie still. Unzählige Bagger und Arbeitsschiffe sind unterwegs und erneuern die Kanalufer.

Es ist eintönig, also gehe ich mal runter und kümmere mich um meinen Haushalt, der ja auch an Bord zu versorgen ist.

Manfreds Ruf „Achtung Wellen“ kommt zu spät um das kleine Bugfenster zu schließen.

Zandexpress hat die Hebel auf dem Tisch und wohl von den vorgeschriebenen 6 km noch nichts gehört. Seine Heckwelle steigt in unser Vorschiff, als Beluga mit der Nase ins Wasser klatscht.

Wir werden wohl nie lernen der Berufsschifffahrt ein gehöriges Maß an Misstrauen entgegenzubringen.


Gerade war meine Sandale, die mir in der letzten Schleuse ins Wasser fiel, wieder trocken, schon schwimmen sie wieder. Diesmal im Vorschiff.

Es ist mir immer noch ein Rätsel wie der Schuh in der Schleuse über Bord gehen konnte. Unser Schanzkleid ist mindestens 30 cm hoch. Auf jeden Fall stand ich plötzlich mit einem beschuhten und einem bestrumpften Fuß da. Und das mir, die ich seit Jahren predige: zieht ordentliche Schuhe an, wenn ihr an Bord rumturnt.

Ich schwächele derzeit ein bisschen.

Bei unserer ersten längeren Stadtbesichtigung habe ich mir den Rist bis aufs rohe Fleisch aufgerieben, mit Sandalen, die ich im letzten Jahr den ganzen Sommer über getragen und extra mitgenommen habe, weil sie so bequem sind.

Und seit einer Woche plagt mich ein ekelhafter Nervenschmerz im Rücken. Selbst Manfreds Bomben, von denen man nur eine täglich nehmen darf und die ihm sogar bei seinen Pseudogichtanfällen helfen, bleiben bei mir wirkungslos.

Bullshit!

„Die Provinz tut mehr als sie denken…“

Der Wahlspruch von Nordholland.

Auf jeden Fall haben sie ihre Windmühlen restauriert und das ist zwischen den hässlichen Windrädern geradezu ein Highlight.

Die Niederlande haben mehr als 600 Windkraftwerke. Schön ist anders, aber immerhin sind sie in dieser windreichen Gegend effektiv.

Doch selbst die toleranten Holländer murren, weil sie über den „schwarzen“ Strompreis den „grünen“ Strom bezuschussen müssen.

Der nächstgelegene Hafen in Alkmaar hat nur Platz für Boote bis 10 m. Da passen wir nicht rein.

Der nächste Hafen liegt in einer Gracht. Natürlich ist eine Brücke davor. Natürlich ist kein Brückenwärter da, natürlich ist Mittagspause, natürlich gibt's weit und breit keinen Anleger und natürlich ist an der Wiese Parkverbot.

Das Fährboot, das direkt neben der Brücke anlegt zieht unermüdlich seine Runde.

Es wundert mich, dass der Fährführer keinen Drehwurm bekommt.

Wir hängen uns mehr recht als schlecht an einen Dalben, um nicht eine Stunde im Kanal rumzudümpeln.

Die Brückenwärterin befiehlt uns in der Gracht umzudrehen und ganz dicht auf ein anderes Boot aufzurücken.

Kein Problem für uns, wir können ja mit zwei Motoren auf der Stelle drehen. Nur der Holländer hinter uns, der uns recht flott folgt, kommt ganz schön in Bedrängnis.

Die Gracht ist ein toller Liegeplatz. Man hat einen wunderbaren Blick auf die Waage. Ein traumhaft schönes Gebäude. Und man ist eigentlich mitten im Leben des umtriebigen Städtchens.

Beim Einkaufen müssen wir einen Umweg machen, weil ein Trottoir gepflastert wird. Wir kommen in eine Gasse……

So eine Gasse. Leicht, sehr leicht geschürzte Mädchen sitzen im Schaufenster und lächeln uns kokett an.

Da fass ich meinen Skipper aber fest an der Hand und nix wie weg.

Berühmt ist Alkmaar durch den seit 1622 abgehaltenen Käsemarkt. Das Schauspiel mit den in Weiß gekleideten „Käseträgern“ zieht immer viele Schaulustige an. Im Jahre 1916 wurden ca. 300 Tonnen Käse pro Markttag verkauft. Bis heute hat sich die Tradition der Herstellung des Käses erheblich verändert, doch nicht das Interesse der Menschen. Jährlich besuchen ca. 300.000 Menschen den Alkmaarer Käsemarkt. Er ist der einzige in den gesamten Niederlanden, der die alten Traditionen des Verkaufs noch beibehält. So findet der Käsemarkt nach wie vor zwischen April und September nur freitags vormittags statt. Dieser Markttag ist in Alkmaar jedes Mal ein neues Großereignis. Morgens wird zuerst einmal der gesamte Marktplatz gründlich aufgeräumt und gesäubert, denn unter der Woche ist er belagert von Tischen und Stühlen der umliegenden Restaurants und Kneipen.

Anschließend werden die Laibe von so genannten „Setzern“ in lange Reihen über- und nebeneinander aufgeschichtet. Um Punkt 10.00 Uhr ertönt dann die Glocke als Startsignal. Dann laufen die Käseträger mit großen Tragebahren aus Holz und in ihrer Farbe kreuz und quer über den Marktplatz. Die Käselaibe werden ausgiebig getestet und darauf geboten. Feilschen ist ein wichtiger Bestandteil des Kaufes, der immer per Handschlag besiegelt wird.

Seit dem Jahre 1622 gibt es in Alkmaar eine Käseträgergilde. Diese Gilde besteht aus vier Gruppen zu je sieben Trägern, welche an der unterschiedlichen Farbe der Hüte zu erkennen und unterscheiden sind. Zu diesen Farben zählen rot, grün, blau und gelb. Über diesen vier Gruppen steht der Käsevater mit schwarzem Stock mit dem silbernen Knauf. Er wird auch heute noch von jedem Träger Papa genannt.

Eine richtige wirtschaftliche Bedeutung bezüglich Angebot und Nachfrage hat dieser Markt heute wohl nicht mehr. Er ist eine folkloristische Veranstaltung und die Zuschauer wie die Beteiligten haben ihren Spaß daran.

Käse kann man an den umliegenden Ständen natürlich auch kaufen.

Interessant ist, dass die Moderatorin in vier Sprachen vor Taschendieben warnt.

Freitags ist die Hafenmeisterin anderweitig beschäftigt. Da muss jedes Boot, das ablegen will, sich an das Rundfahrtboot anhängen, wenn es durch die Gracht kommt und die Brücke geöffnet wird.

Also lauern wir.

Dann muss alles sehr schnell gehen. Das Ausflugsboot steht vor der Brücke, dahinter werfen 3 Boote die Leinen los. Das Ausflugsboot schiebt sich unter der Brücke durch, dann kommen wir.

Das Ausflugsboot stoppt hinter der Brücke auf, um zu drehen. Dafür braucht es den ganzen Kanal. Manfred haut den Rückwärtsgang rein um aufzustoppen. Neben dem Ausflugsboot dreht mit Vollspeed die Fähre. Von hinten drängen die anderen Sportboote. Es ist für jeden Millimeterarbeit. Zwischen das Heck des Ausflugsbootes und das Heck der Fähre schiebt Manfred Belugas Bug um mit dem Heck unter der Brücke durchzukommen. Dann müssen auch wir auf dem Platz drehen um in Richtung Kanal zu kommen.

Es ist spannend. Aber es klappt bestens.

 

                  

 

zurück zu  "Leinen los und los!"

zurück zu Reiseberichte

zurück zur Startseite