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Brief nach Hause

 

Liebe Freunde,

mit summendem Schädel, ob von der in reichem Maße zugesprochenen Bowle der happy hour, oder von den Anstrengungen des Denkens, Studierens und Dichtens, meine Römer bringen mich um, jedenfalls in der Transpiration der Anstrengung, sitze ich an meinem Computer, als von Manfred ein Geräusch herüber hallt, das mir nicht recht vertraut ist.
Selbstverständlich kenne ich alle seine Schnupfgeräusche, von Trompeten über Schniefen, von Gurgeln bis Kieksen und ha-a-apscha, doch das war es nicht.
Auch sämtliche Klaviaturen seiner Flatulenzen in allen Tonarten sind mir geläufig, doch auch hier Fehlanzeige.
Das Geräusch klang eher wie das Knurren eines hungrigen Bären, ganz so, als wenn er fragt ob es denn heute nicht mal was zu essen gäbe.
Doch auch das war es nicht so recht, hat er doch gerade eine Portion Choucroute vertilgt, dass kein Affe drüber springt.
Wenn ich darüber nachdenke, dann klang es doch sehr nach:“ Man könnte ja mal wieder einen Brief schreiben.“
„Man“ allerdings war gerade nicht anwesend, ich habe es wenigsten nicht gesehn, so frage ich denn als brave, gut erzogene, demütige Ehefrau, ob denn vielleicht auch ich einen Brief an unsere Freunde schreiben darf. Natürlich nur ausnahmsweise, bis „man“ wieder zu finden wäre.
Die Antwort klang wieder wie das Stakkato starker Flatulenzen, so dass ich mir vornahm in Zukunft doch weniger Kraut und Kohl zu servieren.
Und so frage ich denn meinen Kapitän, in Ermangelung klarer Anweisungen, was er denn gern hätte, was ich so berichten soll, denn eigentlich kann das tagtägliche unseres Alltags für gestresste Menschen nur höchst langweilig und uninteressant sein.
Wir stehen morgens auf, würden wir nicht aufstehen, lägen wir ja den ganzen Tag im Bett, was unsere Aktivitäten doch stark einschränken würde. Tun wir natürlich nicht, nein, wir stehen auf und bereiten uns geistig und seelisch wie körperlich, gestärkt durch ein kräftiges Frühstück, auf die kräftezehrende Arbeit von 5 Schleusen und 5-6 km Wegstrecke vor.
Da uns diese Aufgabe schon eine ganze Stunde beschäftigt, müssen natürlich Stärkungen und Kaffee vorbereitet werden. So tuckern wir denn, meist mutterseelenallein, durch uns völlig fremde Wildnis und an jeder Schleuse erwartet uns ein Eingeborener mit strafendem Blick, denn die Eingeborenen werden nur ungern mitten in der Nacht zu Arbeit verpflichtet.
Ist doch der Mensch, der französische Mensch noch viel weniger, nie und nimmer für Arbeit geschaffen: Beweis: sie ermüdet ihn. Und welcher normale Mensch ist schon gerne kurz nach dem Aufwachen müde.

Quäkende Blesshühner und rauschende Baumwipfel, gurgelndes Wasser, manch verschreckter Reiher in seiner vormittäglichen Ruhe gestört, die Natur um uns ist so schrecklich natürlich, wie sollte sie auch sonst sein.
Mit allerlei Geschniefe wehrt sich mein Kapitän entweder leicht heuverschnupft gegen die Idylle oder es ist doch nur der französische Schnupftabak.
Hier und da durchstoßen wir ein Wölkchen Kuhmief und überhören arrogant das Gekeife eines Eichhörnchens, das sein Revier lautstark gegen uns Eindringlinge verteidigen will.

Schwieriger zu Überhören ist das Gekeife unserer Sue, wenn sie , selbst von nichts eine Ahnung, ihrem Henry lautstark Anweisungen gibt und der wie ein begossener Pudel, mit hängenden Schultern und hängendem Kopf, alles andere hängt bestimmt auch, weil bei dieser Stimmlage seiner Liebsten kann man nur durchhängen, alle ihre diffusen Anweisungen wortgetreu in die Tat umsetzt, ob hirnrissig oder nicht.
John rollt dabei die Augen und fletscht sein falsches Gebiss, während sich Jans Gesichtfarbe kaum noch von ihrer Haarfarbe unterscheidet.
Sue ist eine richtige Nervensäge , aber, nachdem ich fast 56 Jahre mit mir selbst gelebt habe, bin ich durchaus mit Nervensägen vertraut, so dass ich am wenigsten von allen mokiert bin, eher amüsiert. Und im übrigen finde ich die Tonlage, dieses leicht schrill Bissige, äußerst interessant und überlege, da es genau dieser Tonfall ist, der meinen Spatzel auf die Palme bringt, ob ich nicht einige besonders markante Töne übernehmen kann, um mich vielleicht selbst gegen eventuell bei ihm auftretende Anfälle von „Matschomanie“ zu erwehren.

Nun denn, das Care-Paket unseres lieben Andreas ist leider bis zum letzten Kümmerling verputzt, ich rede vom Schnaps, nicht von meinem Spatzel, den verputze ich nicht, sondern vernasche ich höchstens. Das ist ein Unterschied, wenn mich einer fragt. Was natürlich keiner tut.
Und so werde ich mich denn in einer neuen Kunst üben müssen um wieder einmal Subventionen zu empfangen, nämlich solange zu jammern, bis einer mir meine Fettpolster als Hungerödeme abnimmt.
Was mir natürlich bei der mir angeborenen schauspielerischen Fähigkeit nach einiger Übung nicht so schwer fallen wird.
Wer kann schon dem treuen Blick meiner tiefliegenden Schweinsäugelein widerstehen?
Oder seid ihr etwa anderer Meinung?
JA!!!???
Na, schöne Freunde seid ihr, das muss ich ja mal sagen!!
Kein Wunder, dass es uns in Kampfesland zieht.

Im Laufe unserer Reise hat meine Haut den vornehmen blassen Büroteint verloren und eine leicht rotgoldene Färbung angenommen, so Richtung Indianer, was mich natürlich nicht schöner macht, wie könnte es auch, aber zumindest von gesunder Umgebung zeugt.
Allerdings hat meine Frisur, nachdem ich selbst Hand angelegt habe , die Konturen mit meiner Schnittlauch-Küchenschere, den Rest mit Manfreds Schermaschine, nun leichte Ähnlichkeit mit einem durch jahrelange Staubkämpfe in Ehren zerzausten Mob.
Während mein Spatzel braun gebrannt und strotzend vor Übermut sich eher Richtung Oldtimer-Adonis entwickelt.
Vielleicht liegt das aber auch an den manchmal hübschen jungen Schleusenwärterinnen.
So lernen Männer doch im Laufe ihres Lebens im Umgang mit ihrer Holden den Kopf einzuziehen, während sie im Beisein eines jungen Mädchens doch eher den Bauch einziehen.

Gestern ist ein Charterboot mit uns gefahren. Frech und dreist wie wir sind, haben wir sie sofort ausgefragt. Schon wieder Australier. Sie haben 12 Wochen in Frankreich ein Boot gechartert. Und es gefällt ihnen so gut, dass sie erwägen selbst ein Boot zu kaufen und mehrere Jahre hier zu leben. Sofort wurde uns ein bunter Prospekt von Queensland in die Hand gedrückt und man kann sich dem Charme des Kolonialstils nur schwerlich entziehen.

Doch ich kann den Franzosen nur zurufen:“ Seid wachsam! Es wird sich nicht so schnell wieder eine Jean d’Arc finden, die den englisch Sprechenden das Laufen lehrt. Alle eventuell in Frage kommenden Damen dürften sich noch gut erinnern, dass die letzte als Fackel in Schall und Rauch aufgegangen ist. Ist es euch auch gelungen die keltischen Anglikaner zurück über den Kanal zu drängen, doch wie wollt ihr die Unterwanderung eurer Kultur durch überseeische Sitten und Gebräuche verhindern? Ihr seid bereits unterwandert. Im mickrigsten Nest findet man die Times und heute manchmal sogar den New York Mirror. Das taboulé wird bereits mit Minze verschönt.
Werft einen Blick auf eure alemannisch-germanischen Nachbarn.
Haben nicht der Big Mac und Chicken Mac Nugget bereits die gute alte deutsche Frikadelle vom Gaumen der Jugend verdrängt?
Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis ihr euren Absinth mit Cola verlängert, statt mit reinem Quellwasser!
Sois sur tes gardes! Sei wachsam, Franzose !“
Sollte mich allerdings einer vor die Wahl stellen ob mir pappige Hot Dogs in schwabbeligen süßen Brötchen mit Ketchup und Mayonnaise oder kleingeschnittene Magenwände abgefüllt in Kotgängen toter Schweine, genannt Andouillettes, lieber wäre, so würde, trotz aller Ressentiments gegenüber dem ausländischen Ausländer, mein Pendel doch mehr in die erstere Richtung ausschlagen.

Es mangelt uns keinesfalls an Gesellschaft.
Und doch fehlt mir einiges, z.B. das Duell spitzer Zungen.
Ein Versuch mit meinem Spatzel wird meist in des Wortes verwegenster Bedeutung zu wörtlich genommen und endet unmittelbar in Schweinskram, den zu beschreiben ich tunlichst vermeide, denn nur Invaliden erzählen gerne vom Krieg oder der Duellbeginn wird sofort im Keime erstickt, während es beim Versuch mit den englisch Sprechenden meist an der etwas unterkühlten Finesse der stotternden Rhetorik scheitert.
Selbst D’Artagnan hätte sich nicht mit einer heißen Kartoffel im Mund duellieren können. Zumindest nicht erfolgreich und ich sehe ja wohl nicht so aus, als wolle oder könne ich auch nur eine Wortschlacht verlieren.
Nulla fere causa est, in qua non femina litem moverit (es gibt wohl keinen Streit, den nicht eine Frau begonnen hat). Ausspruch aus den Satiren des Juvenal.
Meine ständige Beschäftigung mit der Historie bekommt meiner Umwelt nicht immer gut.
Doch aus reinem Selbsterhaltungstrieb sollten Männer diesen Spruch besser nicht zitieren und kommentieren.
Mit wem nur soll ich die Klinge meiner scharfen Zunge kreuzen, wenn nicht mal ein annähernd gleichwertiger Gegner aufzutreiben ist.

Eines Tages richtete sich der Hahn auf dem Kirchturm nicht mehr nach dem Winde. Da hielten ihn die Leute für stolz. In Wahrheit war er nur verklemmt.

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal

Doris und Manfred

 





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