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Ein langer Winter

 

Vor das Auswintern hat ein langer, störrischer Winter das Einwintern geschoben.

Der Skipper vom Steiger A geht dabei völlig methodisch und planvoll vor.

Mit Wehmut im Herzen und Checkliste in der Hand.

Die letzten warmen Herbsttagen nutzt er zum Ausbessern kleinerer Blessuren der Scheuerleiste, lackiert Deck und Schanzkleid und ölt Reling und Mast.

Wasserboiler, Wasserleitungen werden entleert, die Hähne druckfrei gemacht.

Seeventile überprüft, Filter gereinigt,

Unter Verbiegen sämtlicher Lendenwirbel stellt er die Ventile ein, erneuert Motoröl und füllt Frostschutz auf. Wie ein Fragezeichen gekrümmt füllt er Wasser in die Batterien, um dann festzustellen, dass die Wasserhexe punktgenau getroffen hat.

Nach einer letzten Waschorgie lässt er sein heiligs Blechle unter einer Riesenplane verschwinden.

Der einsetzende Wind erleichtert ihm diese Aufgabe keinesfalls und bis die Möwen-Abwehr-Schnüre kreuz und quer verspannt sind, hat er sein letztes Käppi dieser Saison endgültig eingebüßt.

Mindestens einmal in der Woche wird er einen Kontrollgang machen, um festzustellen, dass kein Wasser- See- oder sonstiger Sack Plane und Optik verunziert.

Und beim regelmäßigen Laden der Batterien wird er sich nach dem Frühling sehnen wie der Lurch nach seinem verlorenen Schwanz.

Der Skipper, am gegenüberliegenden Steg, geht auch planvoll vor, wenn auch weniger methodisch.

Auf dem Achterschiff, die letzten warmen Sonnenstrahlen genießend, studiert er sehr interessiert die Bemühungen seines Stegnachbarn.

Nein, nein, Öl braucht er keines zu wechseln, ist ja nur wenig gefahren in diesem Jahr. Seeventile, ja die muss er zudrehen, bis auf das im Klo, das klemmt eh schon seit 5 Jahren.

Nein, nein, warum sollte er das Boot vor dem Winter noch mal putzen, wird doch sowieso wieder dreckig? Streichen im Herbst? Was für ne Verschwendung, wenn der Kahn im Frühling doch wieder rostig ist.

Abdecken? Das wird er es schon gar nicht. Im Gegenteil, er lässt die Tür zur Kajüte auf. Wenn einer einsteigen will, dann macht er wenigsten die Türe nicht kaputt.

Allein der Gedanke an diese stressigen Arbeiten treibt ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Das macht durstig.

Der März ist gekommen und nicht nur die Bäume schlagen aus.

Im Frühling erwacht auch sein Motor wie immer asthmatisch keuchend zum Leben.

Zwei Eimer Wasser übers Deck und der schlimmste Möwendreck ist weg. Das Klo ist immer noch offen, da hat er keinen Stress, wenn er die gebrauchten Getränke wieder loswerden muss.

Jedoch! Die Aktivitäten seines Nachbarn lassen ihn in ehrfürchtigem Staunen verharren.

Jetzt hat sich dieser Hektiker beim Einrollen der Plane doch tatsächlich in seinen lächerlichen Möwen-Abwehr-Schnüren verheddert und, natürlich, auch das nagelneue Käppi geht wieder über Bord.

Was drückt er denn auf dem Spritzler rum? Wird er wohl auch die Pütz bemühen müssen, wenn kein Wasser kommt.

„Sag doch was, mein Lieber“, ruft er rüber, als der Ärmste seine Batterien übers Schanzkleid wuchtet. „Tiefentladen und kaputt, was?“

„Warte, warte, ich nehm dir den Fernseher ab! Will er denn nicht mehr, dass du ihn mit nach hause nimmst?“

Und dort wird seine Bordfrau verwundert fragen, was er eigentlich den ganzen Herbst an Bord gemacht hat.

Es ist ausgewintert.

Kolumne erschienen im Magazin WasserSport Ausgabe 3/2007

 



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