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Leinen los und los!

 

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Von Haren nach Groningen

 

 

Geradezu putzig sieht die kleine Schleuse in den Kanal aus. Vier Schleusen und 12 Brücken stehen zwischen uns und Holland. Sie werden alle von der Leitstelle in Schleuse 1 per Computer bedient. 2 Euro kostet die Durchfahrt, der Fahrschein, für den Kanal. Eine lächerliche Summe, die nicht mal den Aufwand für die Gebühren deckt.

5 km/h ist Höchstgeschwindigkeit.

Das Wasser des Kanals ist braun, es kommt aus dem Torfgebiet rund ums Bourtanger Moor.

Das Bourtanger Moor war ehemals das größte zusammenhänge Moorgebiet Westeuropas.

Es war sogar eines der größten Moorgebiete in Deutschland. Es erstreckt sich vom Emsland bis nach Holland.

Im vorletzten Jahrhundert wurden nur kleine Flächen davon urbar gemacht. Doch im Zuge des Emsplanes, um das Jahr 1950, wurde fast das gesamte Moor auf der deutschen Seite entwässert und als Weide- und Ackerland erschlossen.

In Holland lief es ähnlich ab.

Die großen Torflager wurden abgebaut und das ehemals unwegsame Gebiet durch Kanäle erschlossen. Waren die Torflage ausgebeutet, wurde der Kanal weiter gegraben.

Die Häuser an denen wir vorbeischippern sind einmalig. Ein richtiges Villenviertel.

Im Oberwasser der Schleusenleitstelle ist das Schifffahrtmuseum der Stadt Haren. Einige beeindruckende Altertümer liegen hier herum.

Der Kanal führt durch eine Allee aus 100 jährigen Eichen. Es ist einfach nur schön.

In der letzten Schleuse meldet sich der Schleusenmeister über Lautsprecher und wünscht uns gute Weiterfahrt in Holland.

Und die haben wir auch.

Die Weiterfahrt wird von einem Schleusenwärter begleitet. Er hebt die Brücken und drückt die Tore der Schleusen mit einer großen Stange auf. Alles von Hand. An die Klappbrücken muss er sich teilweise richtig hängen, damit sie nach oben klappen, einige haben auch Kurbeln, mit denen er sie hochkurbeln kann. Auch die Drehbrücken bewegt er nur mit Muskelkraft. Gut, es ist sein Job, aber es ist eine ganz schöne Schinderei.

Boote haben in Holland Vorfahrt. Kurzerhand und ohne Rücksicht auf Verluste werden die Schlagbäume heruntergelassen und die Brücken für die Boote geöffnet und keiner stört sich daran. Wir sind in Holland, im Land des Wassers ohne Grenzen.

Plötzlich fängt Manfred an mit einem Handtuch um sich zu schlagen.

„Die Holländer haben Stubenfliegen auf uns abgerichtet!“, ruft er. „Komm mal rauf, das musst du dir anschauen!“

Doch das brauche ich nicht. Auch unten im Schiff hat sich ein Schwarm breit gemacht. Alleine auf der Toilette zähle ich 10 Stück. Mit der chemischen Keule zu rennen bringt gar nix. Es kommen viel zu viele zur Beerdigung ihrer Genossen.

In kürzester Zeit ist das Achterschiff übersäht mit Leichen und nach dem anlegen sind wir gemeinsam eine halbe Stunde beschäftigt mit der Fliegenklatsche den Plagegeistern zu Leibe zu rücken.

 

Wir kommen nur im Schritttempo vorwärts. Alle paar Meter ist eine Brücke, die geöffnet werden muss. Im Oosterdiep sind es 30 Brücken auf 6 Kilometer. Wir können nur froh sein, dass alle Brücken von einem Heer von mitfahrenden Brückenwärtern bedient werden. In Frankreich, im Nivernais-Kanal z.B., müssten wir selber Hand anlegen. Aber auch so hilft Manfred den Männern in den Schleusen, wenn es möglich ist.

Der Starkwind macht uns ein bisschen zu schaffen. Und in einigen Schleusen gibt es unliebsame Überraschungen. Da sind teilweise große Öffnungen in den Schleusenwänden in denen die Fender verschwinden oder die Poller auf den Schleusenmauern sind mini, kaum dass unser Tau darum passt. Ich muss unheimlich aufpassen, dass es uns nicht raus hüpft. Es ist nur ein Glück, dass die Schleuserei sehr gemächlich vor sich geht.

Und dann geht's los! Es regnet. Nein, es schüttet! Genauso wie es halt in Holland üblich ist. Jeder Tropfen ein Bindfaden, der stoisch Kontakt zwischen Wolke und Erde hält. Trotz Regenkleidung bin ich in der ersten Schleuse, gleich morgens um halb 9 nass wie eine gebadete Maus. Nur gut, dass wir eine tolle Heizung mit Gebläse haben, das alles in Nullkommanix wieder trocken pustet.

Ein holländisches Boot gesellt sich zu uns. Die Schiffsfrau hat sich beim Bedienen einer Drehbrücke eine Achillessehne gerissen/verzerrt? Auf jeden Fall kann sie nicht mehr laufen.

Ärgerlich, wenn einem so was passiert. Die Reise findet erst mal einen sehr abrupten Abschluss.

Mittlerweile hat sich ein Frachtschiff vor uns geschoben. Es geht gar nichts mehr. Selbst mit nur einem Motor im Standgas ist Beluga zu schnell. Das macht Manfred schon unwirsch. Erst recht, als auch für die Berufsschifffahrt in der Mittagspause Stopp ist und wir ziemlich ungemütlich an einer Spundwand hängen.

Irgendwann haben wir Groningen erreicht.

Der Hafenmeister weist uns einen Platz zu. Hier können wir Beluga in der Baby-Pause liegen lassen.

Es regnet ohne Unterlass.

Trotzdem versuchen wir am Samstag einen Landgang. Der Ort soll wunderschön sein. Wir kommen nicht mal in die Nähe der Innenstadt. Nach 10 Minuten erwischt uns ein so heftiger Guss, dass wir beide trotzt Mammutschirm nass sind bis zum Knie. Also streichen wir die Segel und drehen ab.

In Holland gibt es einen Bund gegen das Fluchen. „Bond tegen het vloeken“.

Jetzt weiß ich auch genau warum.

Viele Jahre haben wir Holland gemieden, obwohl es eines der schönsten Wassersportreviere ist, weil das Wetter mehr als unbeständig ist.

Doch wieder hinzufahren war ein Triumph der Hoffnung über die Erfahrung.

Wasser ist eine tolle Sache, nur lästig, wenn es stets von oben kommt.

Da helfen auch die dummen Seglersprüche nicht:“ Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung!“

Pustekuchen! Wasser ist eine sehr flüssige Angelegenheit und findet irgendwann immer seinen Weg unter die Haut.

Wir sagen Holland, doch wir meinen Niederlande. Holland ist lediglich eine der Provinzen der Niederlande. Aus der Provinz Holland kommen die leckeren Käse wie Gouda, Edamer und Maasdamer. Das sind also echte Holländer.

Diese Niederländer sind überhaupt ein erstaunliches kleines Volk. Sie leben in einem der am dichtesten besiedelten Länder der Welt. Und sie leben in einem Land, das zu einem Großteil, nämlich einem Viertel, unter Normalnull, also unter dem Meeresspiegel, liegt. Der Vaalser Berg ist mit 321 m die höchste Erhebung und die ist ein Ausläufer des Rheinischen Schiefergebirges und wahrscheinlich das kleinste Skigebiet der Welt. Ein Land und Volk der Superlative also.

1870 wurde sie Sklaverei abgeschafft, was in Anbetracht der vielen Kolonien sicher ein schwerer Schritt war.

Im Coffeeshop ein Tässchen Tee und ein Spacekake aus der Soft-Droge Canabis ist erlaubt, Abtreibung und Sterbehilfe sind legal, aber Pfefferspray oder ein Elektroschocker zur Selbstverteidigung verboten.

 

 

 

 

                    

 

 

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