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Kapitel 1
Heimat


Kapitel 2
Loreley


Kapitel 3
Die Mosel


Kapitel 4
Canal de la Marne au Rhin

Kapitel 5
Canal de la Marne á la Saône

Kapitel 6
Auf der Saone


Kapitel 7
In der Seille

Kapitel 8
Zurück auf der Saône

Kapitel 9
Der Doubs
Komödien am laufenden Bande

Die Grotte von Orselle
Traurig trübe Tage
Die Jungfrau
Alleine weiter
Ein Löwe kommt selten allein
Mast- und Schotbruch
Sachen gibts..

Kapitel 9

Der Doubs

Komödien am laufenden Bande

 

Der nächste Tag begann mit einem Desaster und endete schier mit einer Katastrophe.

Manfred fiel morgens, noch vor dem Frühstück, der Feudel ins Wasser. Er ging unter wie ein Stein und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Das Baguette zum Frühstück war vom Vortag und die Heizung musste brummen, weil es saukalt war. Manfred trocknete das Boot mit einem Putzlappen, es war eine persönliche Kränkung für einen KAPITÄN, ein Putzlappen um den Schrubber gewickelt. In dieser miesen Stimmung machte er sich ernsthafte Gedanken, was zu tun wäre, wenn der Anleger in Ranchot voll läge. Doch diese Sorge war umsonst, sie bekamen einen Platz. Doris warf sofort die Waschmaschine an, sie hatten einen ganzen Sack voll verschwitzter T-Shirts, die Betten mussten abgezogen werden, und, und. Sie verkündete konsequent, dass sie für den Rest des Tages nicht mehr ansprechbar sei. Die Herren sollten sich gefälligst mal ortskundig machen, bezüglich, Bäcker, Metzger und dem Weg zur königlichen Saline. In ihren Unterlagen stand was von 10 km. Das wäre mit dem Rädchen ja wohl zu schaffen. Manfred fand am Ausgang des nächsten Ortes ein Straßenschild mit der Angabe von 15 km.

„Das können wir vergessen“, sagte er, „die Mädchen können, so untrainiert wie sie sind, unmöglich 30 km Fahrradfahren.

Im Hotel la Marine gegenüber waren Tische und Stühle im Garten, da wollten sie sich abends bei einem Bier besprechen.

„Ich lass meine Bordschuhe an, “ verkündete Doris am Abend, „für die paar Meter brauch ich mich nicht umzuziehen.“

Kaum auf der Straße knickte sie um, verlor den Halt und hockte im Kies.

„Auf die Art hab ich mir vor einigen Jahren den Fuß gebrochen“, japste sie erschreckt. Die anderen drei standen um sie herum und schauten dümmlich, bevor sie ihr auf halfen.

„Tritt mal auf, ist es so schlimm wie gebrochen?“, wollte Manfred wissen.

Nein, das war es nicht. Trotzdem scheuchte er sie zurück ans Boot und massierte Trauma-Salbe in den linken Fuß und Knöchel und klatschte einen dicken Klacks Zinksalbe auf die blutenden rechten Zehen.

Er sagte nichts, aber er hatte diesen „ich-weiß-genau-was-gut-für-dich-ist- und-nie-hörst-du-auf-mich“ Blick.

Sie humpelten trotzdem in die Kneipe. Immerhin war sie nur knapp einem 6-Wochen-Gips entronnen und hatte sich ein Eis verdient. Die Radtour des nächsten Tages ließ sich nicht ausdiskutieren, weil Margreth sich jeder Art von Meinung enthielt.

So entschied Manfred mal wieder völlig selbstherrlich, dass die Damen nicht in der Lage wären diese Strecke hinter sich zu bringen und hielt Doris einen Vortrag über die totale Selbstüberschätzung von gewissen Leuten, die anschließend mit Sicherheit tagelang nicht auf ihrem Hinterteil sitzen könnten. Was aber nicht hieße, dass sie nicht mal wieder Fahrrad fahren könnten, nur eben nicht so weit. Wenn es ihr Fuß denn überhaupt zuließe.

Doris massierte noch mal Trauma-Salbe ein und verkündete heldenhaft, dass Fuß und Knöchel völlig in Takt seien. Was er denn überhaupt wolle.

Sie fuhren los. Es war ein wunderbarer Tag zum Radfahren. Nicht zu heiß, aber warm genug, der Weg am Kanal entlang asphaltiert. Sie besuchten ein zauberhaftes kleines Örtchen mit einer sehr alten Kirche mit einem wunderschönen, geschnitzten Altar und einem aufgebrochenen Opferstock. Dann ging es weiter auf dem Chemin de holage, dem Treidelpfad, am Doubs entlang. Der Asphalt endete, ein Schotterweg begann.

 

Der Knöchel schickte Signale ans Gehirn: „Knöchel an Hirn, Knöchel an Hirn. Ich tue weh!“

„Sei still, tritt weiter“, tadelte das Gehirn.

„Knöchel an Hirn, Knöchel an Hirn. Es wird aber immer schlimmer.“

„Du sollst nur treten und mich nicht beim Denken stören!“

„He du, “ meldete sich der Hintern, „ich tue auch weh.“

„Mit dir rede ich schon gar nicht“, sage das Gehirn, „du bist viel zu weit unter mir.“

„Das ist eine Frechheit von dir, Hirn“, maulte der Knöchel, „du könntest auf jeden Fall den Befehl zu einer Pause geben.“

„Ab sofort rede ich kein fußisch mehr, “ antwortete ihm das Gehirn.

„Aber der Knöchel hat Recht“, murrte der Hintern, „eine Pause könnte nicht schaden.“

„Was willst denn du“, blaffte das Hirn, „du liegst doch eh nur mit einem Teil auf, der Rest hängt über, was soll denn da weh tun.“

„Oh“, lispelte das Unaussprechliche, „mir ist es auch schon mal besser gegangen.“

„Na du, da kann ich doch nur lachen, du bist ja wohl andere Kaliber gewöhnt, “ sagte das Hirn blasiert.

„Du hast da oben gut reden, “ meldete sich das Knie, „lässt dich von deinem dürren Hals hoch in die Luft heben und vom Fahrtwind kühlen und wir können uns hier abzappeln.“

„Wenn wir nicht wären, würdest du ganz schön im Dreck rum kullern, da könnte dir auch der Hals nicht helfen, “ knurrte der Magen, „und im Übrigen ist mir schon ganz flau, hast du denn die Gurgel verschlossen?“

„Ja,“ blinzelte das Auge, „wenn wir eine Pause machen würden, könnte ich auch mal nach den Reihern in der Wiese gucken oder das wundervolle Panorama genießen, statt ständig auf den Weg zu starren, damit Doris nicht in ein Schlagloch fällt.“

„Was seid ihr doch für Memmen, “ schimpfte das Gehirn, „ warum macht ihr nicht einfach eure Arbeit. Ich muss ja auch arbeiten. Wenn ihr euch schon lange ausruht, muss ich mir eine Geschichte ausdenken und nur die Finger müssen mir dabei helfen.“

„Wir glauben nicht, dass wir heute noch mal tippen können“, stöhnten die Finger, „wir sind schon ganz steif vom Klammern des Lenkers.“

„Doris, “ rief Manfred von hinten, „lass uns umkehren, die Piste wird immer schlimmer, da können Luciano und Margreth mit den kleinen Rädchen nicht mehr fahren.“

„Na siehste“, seufzte der Rücken, „da hat wenigsten einer Verstand, „bei diesem Weg verprellt man sich ja den Steiß.“

„Na gut, “ sagte das Hirn, „ich will heute noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen.“ Dann schupste es Doris an.

„Manfred, “ rief sie, „lass uns da auf dem Campingplatz was trinken.“

 

 

Der Campingplatz auf der Insel war ein Traum. Serbische Fichten, Platanen, Trauerweiden, Pappeln, dazwischen Pfirsich- und Apfelbäume. Die Zelte und Wohnwagen versteckt, jeder in seiner eigenen verwunschenen Welt. Ein Paradies für Kinder. Ein Platz zum Träumen. Der Wind säuselte in den hohen Bäumen. Das Wasser rauschte über das Wehr. Der Doubs plätscherte um die Felsen. Die Wirtin der Auberge war so verbeult wie ihre Stühle. Sie gehörte zu den Menschen, denen Alter und Humor einen ganz besonderen Flair verleihen. Mit der Schürze wedelte sie ein paar Blätter von einem Tisch. Sie nahmen Platz zwischen Kamelien und Geranien und tranken Bière bruine, was auch sonst. Das wäre das erste mal, dass jemand dieses Bier bei ihr verlangt, sagte Madame, sie hätte gar nicht gewusst, dass sie noch welches hätte.

„Die Madame kocht doch bestimmt nicht schlecht“, sagte Doris und studierte die Speisekarte am Haus.

„Es gibt frittierte kleine Doubs-Fische, wär das nicht mal einen Versuch wert?“

„Und du“, konterte Manfred, „du willst doch bestimmt keinen Fisch, was nimmst dann du?“

„Da hast du Recht, Fisch mit Kopf und Schwanz und sämtlichen Kotgängen, das überlass ich dir. Ich versuchs mit dem Escalope.“

„Was gibt es denn dazu, Madame? Pommes frites?“

Madame war empört .

Pommes frites!?! So was extra Ordinäres würde sie nie kochen. Wenn sie kocht gibt es alles frisch. Zwei Gemüse-Sorten macht sie dazu. Ganz frische grüne Bohnen aus dem Garten, die erntet sie noch. Und im Übrigen isst man in Frankreich ein Entré. Also entschieden sie sich für eine Terrine a la maison. Das brachte ihnen wohlwollendes Nicken ein.

Ob sie denn heute Abend genügend braunes Bier für sie hätten.

Madam sah sie an, mit dem Blick Luzifers, dem gerade eine Seele durch die Lappen ging. In Frankreich trinkt man Wein zum Essen. Sprachs und eilte von dannen um die Weinkarte zu holen.

„Wir nehmen den vin de table“, erklärte Doris stoisch nach einem Blick auf die Preise.

Das brachte ihr sofort wieder einen strafenden Blick ein. In Frankreich, erklärte Madame großspurig, trinkt man Wasser oder guten Wein, bon!!!!! fini!!!!!! Dann drehte sie sich um, holte eine Leiter und begann die Pfirsiche zu ernten.

„Na gut, “ gab sich Doris geschlagen, „geschäftstüchtig ist sie allemal. Lassen wir uns halt überraschen.“

„Au revoir, madame, six heur, a tout a l'heur.“

Punkt sechs trudelten sie wieder ein. Der Tisch war bereits gedeckt. Eine geblümte Decke aus einem Stück Stoff geschnitten, ohne Saum, aber sauber. Die Servietten aus Stoff. Sie nahmen die Flasche Bordeaux für 15 Euro. Das tat weh.

Der Hund kam angetrottet, legte sich unter den Tisch in der Hoffnung, dass ein Bröckchen abfiele. Die Terrine wurde serviert, da sprang die Katze auf den Nachbartisch und machte einen ganz langen Hals. Am Stövchen klebten die darauf servierten Speisen der letzten 10 Jahre. Die winzigen Fische waren sogar geputzt und ausgenommen, Fleisch, Soßen, alles war hervorragend. Dessert war eine hausgemachte Mousse aus Brombeeren. Sie waren rundum zufrieden. Dann kam die Rechnung. Luciano grinste . Der Digestif 5 Euro. Manfred zuckte mit den Schultern. „Der Williams war sehr gut und mindestens ein Doppelter, das hätten wir in Deutschland auch bezahlt.“

„Na, dann schau dir mal den Preis für das Dessert an“, sagte Luciano, „ mal gespannt was du dann sagst.“

32 Euro. Das konnte doch einfach nicht sein. Sie reklamierten. Madam war es sichtlich peinlich. Sie hätte France berechnet, keine Euro. Es täte ihr wirklich leid. Sie glaubten es.

Madame schüttelte den Kopf als die sie verabschiedeten und drohten im nächsten Jahr wieder zu kommen, da lebt sie vielleicht nicht mehr, sie wäre ja schon 76 und ewig wolle sie den Campingplatz auch nicht mehr betreiben.

 

 


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