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Kapitel 4

•   Die Franzosen
•   Auf dem Canal de l’est branche
•   sud   zur   Saône (Vogesen-Kanal)
•   Die Vogesen und Lothringen
•   Neue Bekanntschaften
•   Barbecue
•   Auf der Saône
•   Ausländische Freunde
•   Petit Saone
•   Kabinettstückchen
•   Ländermosaik
•   St. Usage
•   Boatspeople
•   In Burgund- Canal de Bourgogne
•   Dijon
•   Cassis
•   Senf
•   Das Land Burgund
•   Wir erklimmen die Scheitelhaltung
•   Wie im Bilderbuch
•   Der Tunnel
•   Abwärts durch die Einsamkeit
•   Schleusendschungel
•   Ruhetag
•   Flavigny
•   Mit dem Fahrrad zum Barbecue
•   Es geht weiter
•   Alesia
•   Burgundische Wunder
•   Montbard
•   Rast bei Schloss Rochefort
•   Menschen beim Schleusen
•   Tonnerre
•   Die letzten Kilometer im
•   Burgund-Kanal
•   Besuch in der Yonne
•    Das Department Yonne
•   Eingeborene und Gäste
•   Abstecher in die Heimat
•   Canal du Nivernais
•   Viel Verkehr
•   Clamecy
•   Salat
•   Nationalfeiertag
•   Hiobs Brüder
•   Wer sich ärgert büßt
•   für die Sünden anderer
•   So’n Pech
•   Besuch hat sich angekündigt
•   Karl der Käfer
•   Canal lateral a la Loire
•   Sehr krumme Touren
•   Canal du Centre
•   Paray le Monial
•   Fete du Canal

•   Die letzten Kilometer zur Saone

Boatspeople

 

Nichts liegt näher für die Aussis als eine Happy hour mit einem Teil ihrer Freunde zu veranstalten, die sie hier wieder treffen und mit denen sie den ganzen Winter verbracht haben. Da es zugleich Wiedersehensfeier, Willkommensfeier und Abschiedfeier ist, lässt sich Jan nicht lumpen. Auch wir steuern 3 Flaschen Sekt und Knabberkram bei. Langsam trudeln die Gäste ein.

Den Anfang machen die Amerikaner, Pat und Berry. Menschen wie diese beiden habe ich noch nie gesehen. Berry ist ein großer, kräftiger Mann. Sein Gesicht wirkt wie der Rohentwurf eines Bildhauers. Alles an ihm ist grobschlächtig und irgendwie noch nicht richtig fertig. Ein behauener Stein, bei dem man sieht, dass es ein Gesicht wird, doch dann hat der Künstler die Lust verloren und seine Statue zur Seite gestellt für eine Vollendung zu einem anderen Zeitpunkt.

Pat ist schwierig zu beschreiben, wenn man sie nicht beleidigen will, was keinesfalls meine Absicht ist.

Bis zur Taille ist sie kräftig, aber relativ normal. Um die Hüften stelle man sich einige Berge von Wackelpudding vor, wahllos in Beuteln um sie gehängt. Bei jedem Schritt wippt der Pudding und schwabbelt und wogt, so dass sie sich kaum vorwärts bewegen kann. Jan hat gesagt sie wäre nicht krank, allerdings wurde ihr bereits der Magen verkleinert. Doch diese unförmige Verteilung von Fett kann unmöglich normal sein. Wie kann sich eine Frau wie sie überhaupt auf einem Schiff bewegen?

Gar nicht! Sie versucht zu lernen das Boot zu steuern, doch selbst das ist wegen der Unbeweglichkeit fast nicht möglich. Sie kann unmöglich das Ruder schnell von einer Seite auf die andere drehen. Diese beiden Menschen haben ein Schiff von 30 m gekauft und wollen ein Hotelboot daraus machen. Eine ungeheure Vorstellung. In ihrem früheren Leben war Berry Polizist und Pat Rechtsanwalt. Wie leicht neigt man doch dazu Menschen wegen ihres Äußeren als inakzeptabel abzutun, nur um dann festzustellen, dass sie eigentlich intelligent, freundlich und sehr nett sind.

Die nächsten Gäste sind Engländer, Jan und John. (Zufällige Namensgleichheit mit unseren) Jan ist eine sehr große kräftige Keltin, deren freundliches Lächeln ein falsches Gebiss freilegt, dass einem der Angstschauer packt, sie möge nur nicht zubeißen. Vielleicht jedoch ist das Gebiss erst einige Jahre alt und noch nicht recht heimisch in ihrem Mund. Ihrem Mann, John, gelingt es davon abzulenken, dass ihn seine Holde um Haupteslänge überragt, indem er schmatzend jede der anwesenden Damen mit mehreren feuchten Bruderküssen begrüßt, nur um dann in nicht mehr zu verebbendem Redefluss jeden von seiner Wichtigkeit zu überzeugen. Ein Tausendsassa wie er, der ohne Punkt und Komma und ohne Luft zu schnappen reden kann, wäre der ideale Aufreißer an jedem Fischstand.

Auch das nächste Paar sind Engländer, Jan und Malcolm. Ihre leicht vergeistigte Art ist erst mal nicht recht einzuordnen. Sie sind Musiker, sagt Jan. Das erklärt vieles. Sie haben in Holland einen Luxemotor gekauft, der noch nicht ganz fertig ausgebaut ist und eigentlich haben sie uns den Eindruck vermittelt, dass sie ein bisschen Angst vor der eigenen Courage haben und ganz froh sind, dass ihnen bis zur Abholung noch eine kurze Galgenfrist bleibt.

Mir, allerorts für meine Schlagfertigkeit und scharfe Zunge bekannt, bleibt beim nächsten Pärchen schon wieder die Spucke weg. Ein kleiner Mann, Frank, rund wie eine Kugel, der Hosenstall wegen Überfüllung nicht mehr zu schließen, die Hemdknöpfe auf dem Kugelbauch kurz vorm Absprengen, auf dem Kopf eine weiße Wollmütze. Sie, Roma, eine winzige Person, so dürr, dass eine Mumie dagegen wie ein Moppelchen ausschaut. An ihrem ganzen Körper ist nicht soviel Fleisch, wie an meinem rechten Oberschenkel, ach was sage ich, wie an meinem linken Unterarm. Auf unsere Frage, welchen Drink sie nehme, antwortete sie „Champagne“ und das in einem so formvollendeten Englisch, dass Miss Sophie von Dinner for one sich wie die Schlampe von Mecki Messer aus Soho anhört. Sie ist britischer als die Queen, very, very British, so einem britischen Briten bin ich noch nie begegnet und ich kenne einige Snobs. Schnell stellt sich im Gespräch heraus, warum das weiße Käppi von Frank. Er war 15 Jahre lang Hochseekapitän der Yacht von Scheich Achmed von Dubai. Das Käppi war, wie die Philosophie des Achselzuckens, Berufskleidung.

Aus einem Nachbarboot krabbeln die neuen stolzen Besitzer, Caroline Engländerin, zurückhaltend, etwas farblos, etwas britisch, etwas uninteressant. Roland Amerikaner italienischer Abstammung, sieht man ihm aber nicht an. Wie sie zu diesem Boot kommen will ich wissen und warum. Amerika haben sie schnell verlassen, das ist kein Land um darin zu leben. In London haben sie sich niedergelassen. Vor einigen Jahren hat er mal mit einem Freund ein Boot im Canal du Nivernais gechartert. Das hat ihm so gut gefallen, dass sie vor drei Jahren ihr Haus in London verkauft haben, ein bisschen durch Europa gejettet sind und jetzt das Boot gekauft haben um darauf zu leben. Das wäre billiger als in London und gesünder als dort in der schlechten Luft. Er wird es schon lernen, denkt er. Nie haben sie Camping gemacht oder etwas ähnliches. Stadtkinder mit dem Traum vom weiten Land. Nun, Erfahrung ist ein Anzug, der mit den Jahren immer besser passt, man muss ihn nur anziehen.

Am besten geht es unserem Henry heute. Seine Dragon-Lady ist völlig in ein Gespräch mit der Amerikanerin Pat vertieft, passt nicht auf ihn auf. Brav lehnt er den dritten Drink ab, bis ich ihm sage, das sie nicht guckt. „OK, fill it up.” Mit jedem neuen Gläschen Rotwein glänzen seine Äuglein mit seiner Nase um die Wette und die Bäckchen färben sich immer mehr in Farbe des Drinks. Sein Lächeln gewinnt zusehends an Seligkeit. God, shave the Queen.

Unser Gockel John hat in der Partnerin von Hafenbetreiber Jean-Luc, Natalie, ein neues Opfer zum Balzen gefunden, obwohl er eigentlich nicht so recht auf bleistiftdünnen Hühnern steht. Doch in der Not frisst der Teufel Fliegen.

Sie sind allesamt Aussteiger! Jagen sie einem Traum nach, den sie nie finden werden? Oder haben sie ihn bereits gefunden? Was unterscheidet sie und uns? Unterscheidet uns überhaupt etwas?

Die meisten Menschen jagen so sehr dem Genuss nach, dass sie an ihm vorbeilaufen. Diesen Menschen kann das wohl nicht passieren. Ihre Ansprüche sind bescheiden, sie können auf Luxus und Konsum verzichten. Sie suchen und finden ihre persönliche Freiheit. Was auch immer das für jeden einzelnen bedeuten mag.

Und wer des Lebens Unverstand

Mit Wehmut will genießen,

der lehne sich an eine Wand

und strample mit den Füßen

Gott hat den Menschen erschaffen, weil er vom Affen enttäuscht war. Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet.

 

Au revoir boots-people von St.-Jean-de-Losne und St.-Usage. Happy to meet you.

 


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