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Kapitel 4

•   Die Franzosen
•   Auf dem Canal de l’est branche
•   sud   zur   Saône (Vogesen-Kanal)
•   Die Vogesen und Lothringen
•   Neue Bekanntschaften
•   Barbecue
•   Auf der Saône
•   Ausländische Freunde
•   Petit Saone
•   Kabinettstückchen
•   Ländermosaik
•   St. Usage
•   Boatspeople
•   In Burgund - Canal de Bourgogne
•   Dijon
•   Cassis
•   Senf
•   Das Land Burgund
•   Wir erklimmen die Scheitelhaltung
•   Wie im Bilderbuch
•   Der Tunnel
•   Abwärts durch die Einsamkeit
•   Schleusendschungel
•   Ruhetag
•   Flavigny
•   Mit dem Fahrrad zum Barbecue
•   Es geht weiter
•   Alesia
•   Burgundische Wunder
•   Montbard
•   Rast bei Schloss Rochefort
•   Menschen beim Schleusen
•   Tonnerre
•   Die letzten Kilometer im
•   Burgund-Kanal
•   Besuch in der Yonne
•    Das Department Yonne
•   Eingeborene und Gäste
•   Abstecher in die Heimat
•   Canal du Nivernais
•   Viel Verkehr
•   Clamecy
•   Salat
•   Nationalfeiertag
•   Hiobs Brüder
•   Wer sich ärgert büßt
•   für die Sünden anderer
•   So’n Pech
•   Besuch hat sich angekündigt
•   Karl der Käfer
•   Canal lateral a la Loire
•   Sehr krumme Touren
•   Canal du Centre
•   Paray le Monial
•   Fete du Canal

•   Die letzten Kilometer zur Saone

Neue Bekanntschaften

 

Die erste Abwärtsschleuse funktioniert leider nicht, doch ein Schleusenmeister hilft uns weiter. Unten liegt ein Luxemotor am Ufer. Das Schiff sieht aus als wäre es noch in Fahrt. Jedenfalls nicht ausgebaut. Keine Fenster im Laderaum. Doch daneben steht ein uralter Volvo. Also doch Pläsierschiffer? Manfred erkundet die Lage sofort.

Schweizer! Das Boot liegt schon den ganzen Winter hier.

„ Na das ist ja komisch, die haben doch hier weder Wasser noch Strom“.

Menschen haben nun mal verschiedene Vorstellung wie sie ihr Leben einrichten. Doch wir erfahren, dass das Boot hier nur deponiert war. Die Skipper waren im Winter in der Schweiz.

Manfred ist sicher, dass das Boot hier ohne Risiko liegt. Das winzig kleine Nest, in dem jeder jeden kennt, in dem es nicht mal einen Bäcker gibt und das Boot, dem jeder schon von weitem ansieht, dass darin nichts zu holen ist.

Wo liegt da eine Gefahr?

Trotzdem, mir wäre nicht wohl bei dem Gedanken.

Wir zerbrechen uns noch eine Weile anderer Leute Kopf, als eine plötzliche Bewegung im Wasser anzeigt: eine Schleuse wird geöffnet, ein Schiff nähert sich. Das Boot, das die Schleuse hinter uns verlässt, ist uns nicht unbekannt. Dieses Gefährt in schwarz-rot-gold haben wir schon mal überholt.

Die Bezeichnung Boot ist vielleicht geprahlt. Ein alter, langer, schmaler Nachen, darauf ein Holzverschlag als Aufbau. „In so einem Ding wollte ich aber nicht in Frankreich rumfahren. Was sind das überhaupt für Landsleute? Das Boot hat einen holländischen Namen, sieht auch aus wie holländisch selbstgestrickt“.

„Die haben eine französische Flagge draus“.

Hinter uns legen sie an und fragen uns in gutem Deutsch wann wir weiterfahren.

„Heute nicht mehr, morgen früh“.

Doch sie wollen weiter, das Wetter ist schön und es ist erst Mittag. Die nächste Schleuse ist wieder „en Panne“ und der reparierende VNF-Mann erklärt ihnen, dass heute keine Schleusenmannschaft mehr kommt, sie müssen morgen früh mit uns schleusen.

Franzosen sind gesellige Leut.

Sofort werden wir und die Schweizer zu einem abendlichen Umtrunk geladen.

Nachdem einer der französischen Hunde ins Wasser gefallen ist, gerettet wurde und der Ausgang der Schweizer Katze mit dem Gassi gehen der Hunde koordiniert ist, finden wir uns bei Claude und Heidi im Steuerhaus wieder. Claude ist das Abbild des Franzosen. Nicht sehr groß, sichelbeinig, die Zigarette immer im Anschlag. Dem Rotwein nicht abgeneigt. Die typisch sinnliche Unterlippe des Genuss-Trinkers. Heidi war Deutsche. Sie haben zuhause Hühner und Enten und einen großen Garten. Alles wird eingekocht und mitgenommen. Auf dem Kajütdach steht ein Kübel in dem Salatpflanzen wachsen. Wir sind amüsiert, probieren ihre selbstgemachte Paté, finden den Geschmack unvergleichlich, auch wenn sie vorher mit den gleichen Händen gerade eine Zwecke aus einem ihrer Hunde entfernt hat. C'est la vie francaise. Natürlich lässt sich meine Neugier nicht zügeln. Ich muss genau wissen woher sie kommen. Von Saargemünd! Aha! Das Boot liegt an der Schleuse 1 im Saar-Kohle-Kanal. O, kennen wir ja alles. Am Stockweiher haben wir Bekannte. Manfred verdreht die Augen. „Ach hör schon auf, ich muss doch fragen, es könnte ja sein, dass sie Babalou kennen!“ Ein Aufschrei der Freude: „Natürlich kennen wir Babalou, wer kennt den nicht. Ich habe sogar eine CD von ihm, mit Autogramm“. (Ich auch, drängt er jedem auf.) Die Welt ist klein. Haben wir Babalou doch vor 4 Jahren in Bar-le-Duc getroffen. Ein Original, wie aus Jacques Bistro. Seine Brötchen hat er verdient als Lampenschirmvertreter, doch in seinem wahren Leben ist er ein „Artiste“ ein begnadeter Sänger, ein unerkanntes Genie. Ich habe großes Verständnis für ihn. Hoffe nicht auch ich ganz im Geheimen, dass ein Verlag an meine Tür klopft, mir meinen neuesten Reisebericht aus den Händen reißt und erklärt, dass die Welt nur auf Doris den Möchtegern-Westentaschen-Poeten gewartet hat und die glänzenden Euros nur so sprudeln?

Wir fragen die Schweizer warum sie denn keinen Kran auf dem Boot haben um ihr Auto aufzuladen. Igitt, so was wollen sie ja schon überhaupt nicht. Wie sieht denn ein Schiff aus, auf dem ein Auto steht? „Wir haben extra nichts an dem Boot verändert, auch am Laderaum nichts. Wir wollen, dass es wie original aussieht“. „Auch die Penischen-Fahrer haben ihr Auto hinten drauf, das finde ich gar nicht so hässlich“. Wie händeln sie nur ihr Auto? Und schon haben wir eine Lawine losgetreten. Gabi ist ängstlich. Sie hat Angst vor allem Neuen und Unbekannten. So fahren sie jeden Kilometer erst mal mit dem Auto ab, erkunden ob die Umgebung günstig ist für die Katze und ob auch ja keine Menschen in der Nähe sind. Dann geht es zurück zum Boot. Das Schiff wird eine oder zwei Schleusen weiterbewegt. Mehr nicht, das ist Stress genug. Dann fährt Caspar mit dem Velo zurück und holt das Auto. Auch eine Art Frankreich kennenzulernen. Wir fragen, wie sie denn zum Bootfahren gekommen sind. Sie waren früher Segler, natürlich. Dann hat Gabi mit 36 Jahren ihre Karriere beendet, sie war Sozialarbeiter (eine brillante natürlich), um sich selbst zu verwirklichen, dem Stress zu entgehen und Köchin zu werden. Doch das artete schon sehr in Arbeit aus und Geld konnte man auch keines verdienen. Ein kleines Restaurant wurde eröffnet (als Experiment). Doch die Gespräche der Gäste waren zu seicht, zu nichtssagend, zu viel Small-Talk, obwohl die Gäste natürlich der gehobenen Geistesschicht angehörten. Also, Frust! Vor 10 Jahren wurde der Luxemotor angeschafft. Gabi wollte sich selbst finden. Sie wollte sich verwirklichen und die absolute Freiheit finden. Doch sie hat ihren größten Feind mit an Bord gebracht: Sich selbst! Sie nennt sich einen schwierigen Menschen. Sie lehnt ein Handy an Bord ab, hat keinen Autoführerschein, schreibt wenn es sein muss im zwei Finger-System auf einer mechanischen Schreibmaschine, hat noch nie einen Computer angefasst. Das Boot heizen sie mit einem kleinen Kohleofen. Mit 60 l Wasser pro Tag kommen sie locker aus. Und eigentlich ist sie kreuzunglücklich. Überall wo sie hin fahren sind Menschen. Sie haben die absolute Ruhe in den Kanälen gesucht, aber nur Menschen gefunden. Sie fühlt sich gejagt, gehetzt und unverstanden. Und dann sagt sie einen Satz, der mir stark zu schaffen macht: “Ich habe so wenig in meinem Leben, nur meine Katze, meinen Caspar und das Boot“. (In dieser Reihenfolge) Wieso ist ihr Glas halb leer, wenn meines halb voll ist? Wieso ist es wenig einen Partner zu haben, der mit an einem Traum zu arbeiten versucht? Hat sie nicht eine wundervolle Natur um sich, einen strahlenden Himmel über sich? Ist es wenig bei einem Glas Bordeaux und einer himmlischen Paté zu sitzen und mit netten Leuten zu plaudern? Sie sagt, dass Geschichte und alte Gebäude sie nicht interessieren, dass sie nie an Land eine Kirche betrachtet, dass sie nur an Menschen und der Gegenwart interessiert ist, aber sie zieht den Stecker vom Telefon raus, wenn sie in ihrer Züricher Wohnung ist und hat kein Handy, damit ihre Bekannten sie nicht belästigen können. Warum nur machen Menschen sich das Leben selbst so schwer? Sie hat keine Hobbys, manchmal liest sie etwas, doch die meiste Zeit verbringt sie damit nachzudenken, über sich, ihr Unglück und die Welt. Doch sie kommt zu keinem Ergebnis. Sie wird nie das finden was sie sucht. Hängt nicht das Glück des Lebens von der Beschaffenheit der Gedanken ab? Aus jedem ihrer Worte spricht die Inspiration der Unzufriedenheit. Zufriedenheit ist entweder in uns oder nirgends. Und ihr Caspar nickt zu allem. Es lässt sich nichts leichter aufbauen und schwerer einreißen als Luftschlösser.

Der Kommentar von meinem Spatzel trifft mal wieder genau den Punkt: „ Die tät besser mal den Schrubber nehmen und den Kahn putzen, dann hätte sie gar keine Zeit mehr zum Schwierigsein und Rumzicken“.

Es ist schon gut einen Menschen bei sich zu haben, der so stink normal ist.

 

Reif für die Insel? Hier findet jeder seinen persönlichen Platz.

 


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