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Kapitel 4

•   Die Franzosen
•   Auf dem Canal de l’est branche
•   sud   zur   Saône (Vogesen-Kanal)
•   Die Vogesen und Lothringen
•   Neue Bekanntschaften
•   Barbecue
•   Auf der Saône
•   Ausländische Freunde
•   Petit Saone
•   Kabinettstückchen
•   Ländermosaik
•   St. Usage
•   Boatspeople
•   In Burgund- Canal de Bourgogne
•   Dijon
•   Cassis
•   Senf
•   Das Land Burgund
•   Wir erklimmen die Scheitelhaltung
•   Wie im Bilderbuch
•   Der Tunnel
•   Abwärts durch die Einsamkeit
•   Schleusendschungel
•   Ruhetag
•   Flavigny
•   Mit dem Fahrrad zum Barbecue
•   Es geht weiter
•   Alesia
•   Burgundische Wunder
•   Montbard
•   Rast bei Schloss Rochefort
•   Menschen beim Schleusen
•   Tonnerre
•   Die letzten Kilometer im
•   Burgund-Kanal
•   Besuch in der Yonne
•    Das Department Yonne
•   Eingeborene und Gäste
•   Abstecher in die Heimat
•   Canal du Nivernais
•   Viel Verkehr
•   Clamecy
•   Salat
•   Nationalfeiertag
•   Hiobs Brüder
•   Wer sich ärgert büßt
•   für die Sünden anderer
•   So’n Pech
•   Besuch hat sich angekündigt
•   Karl der Käfer
•   Canal lateral a la Loire
•   Sehr krumme Touren
•   Canal du Centre
•   Paray le Monial
•   Fete du Canal

•   Die letzten Kilometer zur Saone

Karl der Käfer

 

Die Remscheider haben wir verloren, dafür sind wir Karl dem Käfer wieder aufgelaufen.
Sein Weg ist von Ritualen begleitet, die eisern eingehalten werden. Nimmt er vor einer Schleuse das Gas weg und Julia steht auf, fängt Bluthund Ramses zu bellen an. Er bellt, bis sie in der Schleuse stehen, der unvermeidliche Schleusenhund angeschossen kommt und sie gemeinsam eine Runde bellen können, vielleicht tauschen sie die neusten tierischen Kanalnachrichten aus. Diese Art der Kommunikation ruft im Schleusenhund regelmäßig einen starken Drang hervor das Bein am nächsten Poller zu heben, meist an dem an welchem mein Tau hängt. Dies wohl wissend bin ich äußerst aufmerksam, schlenkre beim ersten Anzeichen mein Tau wie eine Schlange, so dass er erschrickt, äußerst widerstrebend sein Bein wieder senkt und nach einem geeigneteren Objekt Ausschau hält, um diesem Drang, der nun einmal wachgerufen ist, nachzugeben. So also trollt sich der Schleusenhund und Ramses bettet sich wieder zur Ruhe, bis zur nächsten Schleuse.
Abends um 8.00 wird der Hund frisiert, um 8.30 machen sie einen Gassiegeh-Spaziergang und anschließend wird die Zigarettenration für morgen gedreht. Und nichts darf diese Routine stören. Dinge, die sich ihm in den Weg stellen, werden ignoriert. Zum Beispiel Angler, die immer auf der falschen Seite des Kanals sitzend ihre Angelgeräte quer über das Wasser gespannt haben. Ist der Angler nicht schnell genug mit dem Einholen seiner Angelschnur, hat er Pech gehabt. Schließlich ist der Kanal ein Schifffahrtsweg und kein Angelteich und im Trüben fischen trifft sowieso nicht auf Karls Verständnis.

Es gibt kein Gewässer in Frankreich, das nicht von Anglern überlaufen ist. Profis, mit teueren Apparaturen und fünf und mehr Angelruten lauern auf Fang, ganze Familien, Großväter und Großmütter, junge Frauen, die neben ihrem Auto picknicken und einen Wurm baden, Hausfrauen, die auf das Mittagessen harren, Schulkinder verlegen ihre Klasse an Kanal oder Bach damit der Lehrer ihnen Grundkenntnisse beibringen kann, Angeln ist der Nationalsport aller Franzosen. Aber ich glaube Sport ist nicht der richtige Ausdruck für diese Passion. Da muss man schon ein bisschen tiefer schürfen. Der Franzose erlaubt sich weit weg vom Chaos der Welt am Ufer eines Gewässers privat Ruhe zu gönnen. Es lässt sich nicht beschleunigen, es lässt sich nicht zusammendrängen. Man muss nur an einer Stelle sitzen bleiben und den Verstand zur Ruhe kommen lassen. Doch das ist es nicht allein. Er ist von der elementaren Sexualität, der Aufregung und Leidenschaft des Angelns geradezu überwältig. Um die Säfte in Wallung zu bringen, gibt es nichts besseres als den Kampf von Mensch gegen die Natur. Er weiß: „ein Fisch mit deinem Namen wartet schon auf dich“ und den darf er nicht enttäuschen. So könnte es sein, denke ich, oder so ähnlich.

Immerhin sorgen die Angler dafür, dass Karl auf jedweden Frühsport verzichten kann, da er alle paar Meter von seinem Sitz aufspritzen muss, um das Fäusteschütteln der Angler verbal und gymnastisch zu erwidern.

Auf diese Maßen unterhalten passieren wir das letzte Stück des Canal du Nivernais.
Entgegen aller Befürchtungen konnten wir den Kanal ohne größere Probleme durchfahren. Ein bisschen wenig Wasser hatten wir schon, aber die Brückenhöhe war nicht ein einziges Mal ein Problem.
Kaum hatten wir das Tal der Fliegen hinter uns, die Kolonie der Wasserläufer passiert, haben wir hin und wieder ein Schwärmchen Rossbremsen durchstoßen, deren Angriffen wir aber nicht immer ohne Blessuren entkommen sind.
Ein Schauer von Ekel und Abscheu ergriff uns, aber auch des Staunens und der Ehrfurcht, beim Anblick von ganzen Trauben von Fischlaich, der wie schwelende Eiterbeulen an den Spundwänden des Kanals hängt oder seine schleimige Schicht über die Wände der Schleusen zieht, manche Tennisballgroß, andere groß wie Fußbälle. Ehrfurcht wegen dem ungebändigten Willen dieser Kreaturen ihre Art zu erhalten, sich zu vermehren bis zur Selbstzerstörung. Es werden Millionen, wenn nicht Milliarden von ungenießbaren Katzenwelsen schlüpfen und die heimischen Fischarten im Nivernais verdrängen.

Die Angaben und Maße über den Kanal sind in den Karten alle falsch. Gut, dass wir uns nicht haben abhalten lassen. Ein wunderschöner, gepflegter Kanal mit liebevoll hergerichteten Schleusen und Schleusenhäusern in pittoresker Landschaft.

 

 

Die „ Aster“, die letzte in Frankreich existierende Holzpenische am Canal du Nivernais.

 


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