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Kapitel 4

•   Die Franzosen
•   Auf dem Canal de l’est branche
•   sud   zur   Saône (Vogesen-Kanal)
•   Die Vogesen und Lothringen
•   Neue Bekanntschaften
•   Barbecue
•   Auf der Saône
•   Ausländische Freunde
•   Petit Saone
•   Kabinettstückchen
•   Ländermosaik
•   St. Usage
•   Boatspeople
•   In Burgund- Canal de bourgogne
•   Dijon
•   Cassis
•   Senf
•   Das Land Burgund
•   Wir erklimmen die Scheitelhaltung
•   Wie im Bilderbuch
•   Der Tunnel
•   Abwärts durch die Einsamkeit
•   Schleusendschungel
•   Ruhetag
•   Flavigny
•   Mit dem Fahrrad zum Barbecue
•   Es geht weiter
•   Alesia
•   Burgundische Wunder
•   Montbard
•   Rast bei Schloss Rochefort
•   Menschen beim Schleusen
•   Tonnerre
•   Die letzten Kilometer im
•   Burgund-Kanal
•   Besuch in der Yonne
•    Das Department Yonne
•   Eingeborene und Gäste
•   Abstecher in die Heimat
•   Canal du Nivernais
•   Viele Verkehr
•   Clamecy
•   Salat
•   Nationalfeiertag
•   Hiobs Brüder
•   Wer sich ärgert büßt
•   für die Sünden anderer
•   So’n Pech
•   Besuch hat sich angekündigt
•   Karl der Käfer
•   Canal lateral a la Loire
•   Sehr krumme Touren
•   Canal du Centre
•   Paray le Monial
•   Fete du Canal

•   Die letzten Kilometer zur Saone

Mit dem Fahrrad zum Barbecue

 

Und dann der Heimweg.
Mehr als eineinhalb Stunden Anmarsch, zwei Stunden Ortsbesichtigung und dann noch mal Fahrrad.
Mein Hirn schickt Befehle in den Körper: du kannst alles was du willst.
Meine Oberschenkel sprechen anscheinend eine Fremdsprache.
Auch mein Hintern ist auf diesem Ohr taub.
Nur der Pudding hört mein Stöhnen — und mein Spatzel.
„ Na komm, nur diesen kleinen Hügel rauf und dann geht's bis ans Boot nur abwärts.“
„Mit mir geht's schon seit Stunden abwärts.“
Auch die anderen Hühner stöhnen und schwingen sich genervt auf ihre Folterinstrumente.
Wer im Schaden schwimmt, hat es gerne, wenn andere mit ihm schwimmen.
Wäre doch meine Kondition nur ein Bruchteil so gut wie mein Mundwerk, ich wäre bei jeder Leichtathletik der Startlochhalter.
Selbst bergab ist eine Tortour.
Nach zwei Minuten krampfhaften Klammerns der Handbremsen bin ich überzeugt, dass ich die Finger nie mehr gerade bekomme. Mein Rücken ist verspannt, der Hintern und das Unaussprechliche tun mir weh, meine Ellbogen stehen verkrampft im Gegenwind.
Ich bin sicher, nie, nie, auch nur halbwegs intakt, unten anzukommen.
Fahrradfahren ist eine unkalkulierbare Glücksache. Und wer besonders viel Glück hat, darf zu Fuß gehen.

Des Tages Krönung: ein Barbecue!
Selbst auf das launische Wetter ist kein Verlass.
Es schiebt zwar Wolken, aber kein Tropfen Regen. Der Gedanke an meinen geschundenen Hintern und die harten, unbequemen Bänke des Picnic-Table, sowie die leicht unterkühlte Witterung lässt meine Begeisterung Wellen schlagen.

John hat für das abgetauchte Unterteil seines Grills ein 80-l-Fass ergattert, das er verkürzt als Holzofen benutzt. Bis die Farbe abgebrannt ist stinkt die ganze Umgebung.
Auch das Holz qualmt gotterbärmlich und uns direkt ins Bad.
Mit Pullover plus Jacke verhüllt, beäuge ich die Neuerwerbung.
Jeder Indianer käme für so ein Lagerfeuer sofort an den Marterpfahl.
„Hast du denn keine Löcher rein gemacht?“
„I have, I have.”
„But not enough, I think.”
John kann alles vertragen nur keine Kritik. Knurrend packt er seine Schleifhexe aus und vergrößert die Löcher im Fass und siehe da, das Holz brennt wie das Fegefeuer und in Sekundenschnelle ist alles auf seiner Grillplatte angebrannt.
Also zischt er seine Liebste an, dass Hähnchenschenkel überhaupt nicht zum Grillen geeignet sind und löscht mit reichlich Öl ab, was das Feuer noch mehr anfacht.
Wie schön, dass unsere Merguez und Roulade Forestière perfekt gegrillt auf dem Teller liegen.
Sues Frage, ob sie sich nicht meinen „husband “ mal ausleihen könne, wenigsten für einen Tag, dann hätte sie vielleicht auch nicht-angebranntes Essen und ein warmes Boot, muss ich leider ablehnen. Jedem das, was er verdient.

Was ich verdient habe, ist ein Friseurbesuch.
Nachdem ich seit vier Wochen in jeder größeren Stadt verkünde, dass ich doch irgendwann mal zum Haarschneiden müsste, nur heute nicht, reißt mein regentriefender Kapitän um viertel vor elf die Kajütentür auf und verkündet stolz: „ Neben dem Bäcker ist ein Friseur, ich hab dir einen Termin gemacht, damit das Genengere aufhört. Um 11 bist du dran.“ Ergo?! Wieder Fahrrad! Ich kämpfe noch mit Baucheinziehen und dem Verschluss meiner Ausgeh-Jeans, da steht er schon mit dem Fahrrad auf der Brücke. „Los, mach, oder willst du zu spät kommen?“ Schicksalsergeben schwinge ich mich auf. Ich bin sicher, er guckt mir nach, traue mich aber nicht den Kopf umzudrehen. Nach 200 m plärrt's von hinten: „ Fahr weiter rechts, du bist nicht allein auf der Welt.“ Mensch, hat dieser Mann ein Organ.

Hätte ich weiter meine Taktik der Selbstverstümmelung mit der Schnittlauchküchenschere angewandt, wäre das Ergebnis auch nicht viel schlechter, nur wesentlicher billiger. Nun denn, einen schönen Menschen kann nichts entstellen, nicht mal der Friseur. Und hier kennt mich ja keiner. Auf dem Rückweg steht doch tatsächlich mein lonely rider wieder neben seiner Eingangstür. Das einzige was ich seinem fuchtelnden Kauderwelsch entnehme, ist „vite , vite “ und „capitaine “. „Capitaine au bateau “, kreische ich zurück. Er lacht, dass er sich die Bauchmuskeln halten muss. Dabei habe ich doch meinen Regenhut auf und er kann meine neue Frisur gar nicht sehen. Ob ich irgendwas nicht richtig verstanden habe? Leben in einem Dorf muss ganz schön anstrengend sein. Wir liegen erst seit eineinhalb Tagen hier, schon kennt er uns und weiß Bescheid. Immerhin schaffe ich es hoch zu Drahtross bis zum Hubbel vor der Brücke, bevor sich meine Regenjacke am Sattel festklemmt und mich beim Abspringen fast zu Boden schlägt.
Wenigstens regnet's nicht mehr.

Um den Aussis ein klein wenig Esskultur beizubringen, deutsche, vorzugsweise bayrische, gibt es heute Dampfnudeln mit Vanillesauce.
Kernig markante Diskussion zwischen Kapitän und Mannschaft, entweder Trockenhefe oder gar keine Dampfnudeln.
Also, Trockenhefe. Ob es was wird, keine Ahnung.
Für Hefeteig müssen alle Zutaten warm sein, also Milch, Butter und Eier rausstellen. „Kratsch“, der Eierkarton ziert sich, ich zermatsche ein Ei, die schleimige Brühe rieselt mir durch die Finger.
What a wonderful day, ein Ruhetag eben.

Die Trockenhefe arbeitet sehr gut.
Die Dampfnudeln sind perfekt.
Die Vanillesoße ein Gedicht.
Die Aussis sind baff.
Ziel erreicht.

Das Leben besteht in der Bewegung, sagt Aristoteles.

Gottseidank geht's morgen weiter, dass man sich beim schleusen wieder etwas erholen kann.

Gute Nacht.

 


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