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Wer sich ärgert büßt für die Sünden anderer
Das Erklimmen der Scheitelhaltung durch eine Schleusentreppe liegt vor uns. 3,5 km und 16 Schleusen
Ein Deutscher fährt vor uns ein. Remscheid steht hinten auf seinem Boot. Sie ist eine sehr agile Person in perfekt schiffiger Aufmachung. Begleitet das Boot mit dem Fahrrädchen. Sie ist unheimlich wichtig und gibt unheimlich wichtige Anweisungen. Ihre Taue befestigt sie, unsere ignoriert sie natürlich. Sie gibt Anweisungen: „Klaus hol hinten dichter, nein gib mehr Tau, oder nein lass vorne nach. Pass doch auf, wir schlagen ja gegen die Mauer.“ Dann stolziert sie nach hinten: „Ich schließe jetzt mal den Schütz, wenn ich es nicht mache, macht es ja doch keiner.“ Das war ein gezielter Hieb in unsere Richtung. Ich grinse nur.
Ihr Klaus wagt kleinlaut einzuwerfen, dass die Schleuse ja gefüllt ist, da müsse auch der Schütz geschlossen sein. „So ein Unsinn, ich sehe doch, dass er offen ist und ich habe keinen gesehen der ihn zugedreht hat.“ Manfred erklärt ihr geduldig, dass die Schützenspindeln am Nivernais teilweise anders funktionieren als an anderen Kanälen. „So unmöglich waren wir ja noch nie befestigt. Klaus, ich muss mich jetzt mal mit dir unterhalten. Klaus hole die Kamera. Klaus schließe die Tür. Nein nicht diese Tür, die andere. Klaus...“ Eigentlich wünsche ich meinem Spatzel immer nur das Beste, aber einmal vier Wochen so einen Drachen, das wäre eine gute Erfahrung. Alleine ihre Stimmlage würde ihn wahnsinnig machen. Sie ist einer der Menschen, die aussehen als würden sie Hufnägel und Tabasco zum Frühstück verzehren und eigentlich gehört sie entgrätet wie ein Karpfen blau. Natürlich betituliert er mich als kleinlich, als ich mich über die umständliche Art ihrer Festbinderei lustig mache. Plötzlich kommt aus ihrem Auspuff kein Wasser mehr, nur noch schwarzer Qualm.
„Klaus nimm das hintere Tau. Klaus binde vorne an. Klaus nimm das vordere Tau nach hinten.“ Eine aufmuckende Bemerkung des armen Klaus und schon fliegt ihm das Tau um die Ohren. Und da behauptet unser Freund Heinzel ich wäre eine Reinkarnation von Xanthippe. Plötzlich, nach Mittag, scheint das Eis gebrochen. Wir haben zwar immer noch keine drei Worte gewechselt, doch sie nimmt eifrig mein Tau an, wenn die Schleuse zu hoch ist und Manfred nicht rausklettern kann. Und dann kommt sie sogar um einige Worte zu plaudern.
Die Schleusentreppe führt durch ein wunderschönes Waldgebiet, leider ist man mit der Schleuserei so abgelenkt, dass man es nicht so richtig genießen kann. Unbemerkt klettern wir vom Departement Yonne ins Departement Niévre. Die Treppe führt direkt in die drei Souterrain von La Collancelle. Beeindruckende Kathedralen der Baukunst, unterbrochen von fast zugewucherten Schluchten. Wir haben die Scheitelhaltung und den Speichersee des Canal du Nivernais erreicht.
Auch die Remscheider gesellen sich zu uns. Klaus nimmt die Gelegenheit wahr Manfred einige seiner Problemfälle mit dem Boot zu schildern, vielleicht erhofft er sich einen Rat, den er natürlich auch bekommt. Meine Einschätzung von Ulla erweist sich in der nachfolgenden Unterhaltung als richtig und wir sind uns stillschweigend einig, dass wir auf einen Umtrunk mit den beiden am Abend verzichten können. Statt dessen frischen wir mal wieder die deutsch-englische Freundschaft auf. Auf ein Bier verzichten sie, als ich sie frage, ob sie gern einen Wein trinken würden. Einen trockenen deutschen oder einen süßen ungarischen? Sie entscheiden sich beide für meine süße klebrige eisgekühlte Mädchentraube, das macht sie mir auf anhieb sympathisch. Manfreds Grinsen ist deutlich anzusehen was er denk: „ Geschmacksneurotiker die Engländer, genau wie mein Weib.“ Gill ist eine sanftmütige Person, die sich sehr viel Mühe gibt sehr deutlich und akzentuiert zu sprechen, damit wir ja auch alles verstehen. Nach der zweiten Weinflasche werden ihre Augenlider immer schwerer, doch David kann sich nicht von uns trennen. Wir diskutieren heiß über die verschiedenartige Mentalität der Menschen, den unterschiedlichen Humor von Deutschen, Engländern und Franzosen, das Joch, das wir uns aufgebürdet haben (meint er) als wir uns wiedervereinigt haben und vehement will er mir einreden, dass ich unbedingt einen Bildband veröffentlichen muss mit Bildern über den Canal du Nivernais. Er amüsiert sich köstlich, als ich ihn auffordere doch den Anfang zu machen, er wäre ja jetzt auch in Rente und hätte Zeit. Von Manfreds Schnupferei mit dem Geruch von Eukalyptus ist er überwältigt und fragt mich ob ich auch schnupfe, als ich ihm antworte, dass Manfred der einzige Koalabär in unserer Familie sei, kann er gar nicht mehr aufhören zu lachen. Um halb zwölf reißt er sich endlich von uns los, nicht ohne sich tausendmal für den schönen Abend zu bedanken. Morgens als wir ablegen kommen sie nochmals angerannt. Bedanken sich immer wieder. Ich frage mich, was sie wohl vorher für Menschen kennengelernt haben. Wir tauschen unsere Visitenkarten, doch es würde mich wundern, wenn sie mit uns Kontakt halten würden, dafür war unser Treffen zu kurz, auch wenn die Chemie 100%ig gestimmt hat.
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