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Kapitel 4

•   Die Franzosen
•   Auf dem Canal de l’est branche
•   sud   zur   Saône (Vogesen-Kanal)
•   Die Vogesen und Lothringen
•   Neue Bekanntschaften
•   Barbecue
•   Auf der Saône
•   Ausländische Freunde
•   Petit Saone
•   Kabinettstückchen
•   Ländermosaik
•   St. Usage
•   Boatspeople
•   In Burgund- Canal de Bourgogne
•   Dijon
•   Cassis
•   Senf
•   Das Land Burgund
•   Wir erklimmen die Scheitelhaltung
•   Wie im Bilderbuch
•   Der Tunnel
•   Abwärts durch die Einsamkeit
•   Schleusendschungel
•   Ruhetag
•   Flavigny
•   Mit dem Fahrrad zum Barbecue
•   Es geht weiter
•   Alesia
•   Burgundische Wunder
•   Montbard
•   Rast bei Schloss Rochefort
•   Menschen beim Schleusen
•   Tonnerre
•   Die letzten Kilometer im
•   Burgund-Kanal
•   Besuch in der Yonne
•    Das Department Yonne
•   Eingeborene und Gäste
•   Abstecher in die Heimat
•   Canal du Nivernais
•   Viel Verkehr
•   Clamecy
•   Salat
•   Nationalfeiertag
•   Hiobs Brüder
•   Wer sich ärgert büßt
•   für die Sünden anderer
•   So’n Pech
•   Besuch hat sich angekündigt
•   Karl der Käfer
•   Canal lateral a la Loire
•   Sehr krumme Touren
•   Canal du Centre
•   Paray le Monial
•   Fete du Canal

•   Die letzten Kilometer zur Saone

Wer sich ärgert büßt für die Sünden anderer

 

Das Erklimmen der Scheitelhaltung durch eine Schleusentreppe liegt vor uns. 3,5 km und 16 Schleusen

 

Ein Deutscher fährt vor uns ein. Remscheid steht hinten auf seinem Boot. Sie ist eine sehr agile Person in perfekt schiffiger Aufmachung. Begleitet das Boot mit dem Fahrrädchen. Sie ist unheimlich wichtig und gibt unheimlich wichtige Anweisungen. Ihre Taue befestigt sie, unsere ignoriert sie natürlich. Sie gibt Anweisungen: „Klaus hol hinten dichter, nein gib mehr Tau, oder nein lass vorne nach. Pass doch auf, wir schlagen ja gegen die Mauer.“

Dann stolziert sie nach hinten: „Ich schließe jetzt mal den Schütz, wenn ich es nicht mache, macht es ja doch keiner.“ Das war ein gezielter Hieb in unsere Richtung. Ich grinse nur.

Ihr Klaus wagt kleinlaut einzuwerfen, dass die Schleuse ja gefüllt ist, da müsse auch der Schütz geschlossen sein.

„So ein Unsinn, ich sehe doch, dass er offen ist und ich habe keinen gesehen der ihn zugedreht hat.“

Manfred erklärt ihr geduldig, dass die Schützenspindeln am Nivernais teilweise anders funktionieren als an anderen Kanälen.
Ich frage mich, wo sie denn wohl herkommen, mitten im Kanal , ob sie vom Himmel gefallen sind?
Am ganzen Kanal gehen die Schütze falsch rum. Angeblich mit Absicht um im Krieg den Feind zu verwirren. In diesem menschenarmen Gebiet waren viele Verstecke und Zuflüchte der Résistance.

„So unmöglich waren wir ja noch nie befestigt. Klaus, ich muss mich jetzt mal mit dir unterhalten. Klaus hole die Kamera. Klaus schließe die Tür. Nein nicht diese Tür, die andere. Klaus...“

Eigentlich wünsche ich meinem Spatzel immer nur das Beste, aber einmal vier Wochen so einen Drachen, das wäre eine gute Erfahrung. Alleine ihre Stimmlage würde ihn wahnsinnig machen. Sie ist einer der Menschen, die aussehen als würden sie Hufnägel und Tabasco zum Frühstück verzehren und eigentlich gehört sie entgrätet wie ein Karpfen blau.

Natürlich betituliert er mich als kleinlich, als ich mich über die umständliche Art ihrer Festbinderei lustig mache.
„Jeder macht sich das Leben so schwer wie er kann. Und was glaubst du wohl, wo ihre Krampfadern wie Feuerwehrschläuche herkommen? Die bekommt man nur, wenn man ständig den Mund offen hat.“
Eine unbestechliche Logik, bestimmt als Warnung gedacht.

Plötzlich kommt aus ihrem Auspuff kein Wasser mehr, nur noch schwarzer Qualm.
„Wenn wir oben sind, musst du sofort schauen Klaus,“ gibt sie streng Anweisungen.
Manfred wirft einen Blick darauf: „Entweder ist der Filter verstopft oder etwas hängt vorm Ansaug. Mach mal den Motor aus, vielleicht schwimmt es weg.“
Doch nach einigen Minuten kommt immer noch kein Wasser.
„Könnte ich nicht jetzt schon mal nachschauen?“ druckst Klaus kleinlaut.
„Du musst feststellen was los ist,“ antwortet Manfred ihm, „sonst ist dein Motor kaputt bis du auf der Scheitelhaltung bist.“


Der Filter ist schnell gereinigt und es kann weitergehen.

„Klaus nimm das hintere Tau. Klaus binde vorne an. Klaus nimm das vordere Tau nach hinten.“ Eine aufmuckende Bemerkung des armen Klaus und schon fliegt ihm das Tau um die Ohren.

Und da behauptet unser Freund Heinzel ich wäre eine Reinkarnation von Xanthippe.

Plötzlich, nach Mittag, scheint das Eis gebrochen. Wir haben zwar immer noch keine drei Worte gewechselt, doch sie nimmt eifrig mein Tau an, wenn die Schleuse zu hoch ist und Manfred nicht rausklettern kann. Und dann kommt sie sogar um einige Worte zu plaudern.

Die Schleusentreppe führt durch ein wunderschönes Waldgebiet, leider ist man mit der Schleuserei so abgelenkt, dass man es nicht so richtig genießen kann.

Unbemerkt klettern wir vom Departement Yonne ins Departement Niévre.

Die Treppe führt direkt in die drei Souterrain von La Collancelle. Beeindruckende Kathedralen der Baukunst, unterbrochen von fast zugewucherten Schluchten.

Wir haben die Scheitelhaltung und den Speichersee des Canal du Nivernais erreicht.

            

 

Auch die Remscheider gesellen sich zu uns. Klaus nimmt die Gelegenheit wahr Manfred einige seiner Problemfälle mit dem Boot zu schildern, vielleicht erhofft er sich einen Rat, den er natürlich auch bekommt. Meine Einschätzung von Ulla erweist sich in der nachfolgenden Unterhaltung als richtig und wir sind uns stillschweigend einig, dass wir auf einen Umtrunk mit den beiden am Abend verzichten können.

Statt dessen frischen wir mal wieder die deutsch-englische Freundschaft auf.
Das englische Ehepaar strahlt, als Manfred es zu einem Bier an Bord bittet. Ob wir auch wirklich sicher sind, dass sie an Bord kommen dürfen? Sie tun so, als könnten sie ihr Glück kaum fassen. Beide sind bewaffnet mit Fotoapparaten um den Sonnenuntergang zu filmen. David erzählt uns, dass er Fernsehdesigner war und eine Zeitlang in Deutschland, bei einer Firma Thomson und noch was in Villingen gearbeitet hat. Vom Schwarzwald schwärmt er heute noch.
Und zwei ganz wichtige Wörter hat er gelernt: erste Scheiße und letzte Scheiße.
Gill, sie besteht darauf, dass man sie nicht Gillian nennt, arbeitet noch, sie ist Mitglied einer Gesundheitsorganisation und der Internationalen Gesellschaft für Aromatherapie. David ist bereits in Rente und wartet nur darauf, dass auch seine Liebste aufhört zu arbeiten. Dann wollen sie das gleiche machen wie wir. Zur Zeit teilen sie sich ein sehr schönes Kanalschiff mit fünf anderen Eignern. Sie haben vier Fahrräder an Bord und alle sind kaputt.
„Soll ich die vielleicht reparieren?, fragt David entrüstet, „ haben wir die kaputt gemacht?“
Tja, so geht das, wenn sich keiner für irgendwas zuständig fühlt. Ob es nicht mehr Sinn machen würde ein kleines Boot zu fahren und es alleine zu besitzen, frage ich und er gibt zu, dass er ernsthaft darüber nachdenkt. Von meiner Computerarbeit und den Fotos, die wir mit der Digitalkamera machen ist er fasziniert. Alles lässt er sich genau zeigen und vorführen.

Auf ein Bier verzichten sie, als ich sie frage, ob sie gern einen Wein trinken würden. Einen trockenen deutschen oder einen süßen ungarischen? Sie entscheiden sich beide für meine süße klebrige eisgekühlte Mädchentraube, das macht sie mir auf anhieb sympathisch. Manfreds Grinsen ist deutlich anzusehen was er denk: „ Geschmacksneurotiker die Engländer, genau wie mein Weib.“

Gill ist eine sanftmütige Person, die sich sehr viel Mühe gibt sehr deutlich und akzentuiert zu sprechen, damit wir ja auch alles verstehen. Nach der zweiten Weinflasche werden ihre Augenlider immer schwerer, doch David kann sich nicht von uns trennen. Wir diskutieren heiß über die verschiedenartige Mentalität der Menschen, den unterschiedlichen Humor von Deutschen, Engländern und Franzosen, das Joch, das wir uns aufgebürdet haben (meint er) als wir uns wiedervereinigt haben und vehement will er mir einreden, dass ich unbedingt einen Bildband veröffentlichen muss mit Bildern über den Canal du Nivernais. Er amüsiert sich köstlich, als ich ihn auffordere doch den Anfang zu machen, er wäre ja jetzt auch in Rente und hätte Zeit.

Von Manfreds Schnupferei mit dem Geruch von Eukalyptus ist er überwältigt und fragt mich ob ich auch schnupfe, als ich ihm antworte, dass Manfred der einzige Koalabär in unserer Familie sei, kann er gar nicht mehr aufhören zu lachen. Um halb zwölf reißt er sich endlich von uns los, nicht ohne sich tausendmal für den schönen Abend zu bedanken.

Morgens als wir ablegen kommen sie nochmals angerannt. Bedanken sich immer wieder. Ich frage mich, was sie wohl vorher für Menschen kennengelernt haben. Wir tauschen unsere Visitenkarten, doch es würde mich wundern, wenn sie mit uns Kontakt halten würden, dafür war unser Treffen zu kurz, auch wenn die Chemie 100%ig gestimmt hat.

 


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