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Kapitel 4

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•   Auf dem Canal de l’est branche
•   sud   zur   Saône (Vogesen-Kanal)
•   Die Vogesen und Lothringen
•   Neue Bekanntschaften
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•   Auf der Saône
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•   Wir erklimmen die Scheitelhaltung
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•   Mit dem Fahrrad zum Barbecue
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•   Besuch in der Yonne
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•   Fete du Canal

•   Die letzten Kilometer zur Saone

Fete du Canal

In St-Leger-sur-Dheune werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus.

Am ganzen Kanal findet dieses Wochenende die „Grand Fête du Canal du Centre“ statt.

Tanz am Ufer, Pony-Parade, Ausstellung von einheimischen Künstlern, Essen und Trinken, Verkostung von lokalen Produkten, aber am Freitag ist im Dorf von einer Fete oder dem Aufbau von Ständchen noch nichts zu sehen.

Immerhin haben sich mittlerweile drei Hotelpenischen breit gemacht, eine von ihnen besetzt dreist den kompletten Anleger des Sportboothafens.

Am Nachmittag kommen einige Männer und Frauen, gestikulieren heftig, schreiten mit schlenkernden Armen und weit ausholenden Schritten ein bestimmtes Terrain ab. Wir beäugen sie genauso misstrauisch, wie sie uns. Hoffentlich planen sie nicht die Musikkapelle vor unserer Beluga zu postieren. Nach einer halben Stunden sind sie sich wohl einig geworden und verschwinden wieder. Zurück bleiben einige Absperrungen. Um vier wird die Hotelpenische verjagt, um sechs fährt ein Kleintransporter vor und lädt Planken und Stahlträger für die Tanzfläche ab, um halb sieben hängen die Lautsprecher in der Birke und um sieben entzündet Manfred das Grillfeuer vor Lucianos Boot in der Wiese.

Neben dem Grill steht in einer Stofftasche der Sparkasse die Tupperschüssel mit dem Kartoffelsalat und eine mit dem Grillfleisch.

Unsere größte Schüssel und eine Thermoskanne ist gefüllt mit Pfirsichbowle.

Margreth bekommt von Manfred einen antiseptischen Umschlag um ihren geschwollenen großen Zeh.

Die Arbeiter sind endlich mit dem Aufbau der Tanzfläche fertig. Luciano lacht sich fast kaputt weil die Veranstaltung direkt vor unserem Boot stattfinden wird.

Aus der Sparkassentasche neben dem Grill steigt unauffällig aber stetig leiser Qualm auf. Ich kreische: „ Schau dir mal die Tasche an, da brennt doch was.“

Luciano nimmt noch schnell einen Becher Bowle.

Margreth humpelt mit ihrem verwickelten Zeh aus dem Boot. Manfred entblättert die Tasche wie ein Gänseblümchen. Heraus kommt eine angekogelte Tupperschüssel mit Kartoffelsalat und eine angekogelte Schüssel mit Grillfleisch, genauso wie geräucherte Bestecke, was aber weiter nicht schlimm ist, weil das Fleisch eh gleich auf den Grill kommt und die Bestecke somit zum Einsatz kommen und dann höchstens den Grill-Hochgenuss verstärken.

Derweil füllt Luciano die Bowle-Gläser erneut und fällt dabei, gottfristuz , über ein Tau an dem sein Schiff hängt, von dem er aber behauptet, dass es vorher nicht da war und es ihm einer heimlich vor die Knie gerissen hat. Währenddessen macht sich Manfred lautstark Gedanken, wer wohl die Heimtücke besessen hat seine beste Sparkassentasche anzukogeln und wie er es einrichten kann von seiner Freundin Maritta eine neue zu ergattern. Der Feuerteufel von St.Leger? Vielleicht hat aber Manfzahn der Retter der Verklemmten nur die Seiten gewechselt? Bis die Steaks gegrillt sind, ist die Bowleschüssel geleert und wir können uns über den noch kühlen Inhalt der Thermoskanne her machen. Kartoffelsalat für 10 Personen ist für uns vier kein größeres Problem. Unser Fassungsvermögen ist heute nicht zu erschöpfen. Nachdem Luciano festgestellt hat, dass die französischen Bratwürste lediglich „fingerfick hick“ sind (was natürlich wieder zur allgemeinen Erheiterung beiträgt) und wir deshalb morgen weitere einkaufen müssen, wir den Vater Rhein in seinem Bett gesehen haben und das Wasser im Rhein eigentlich Wein sein sollte, im übrigen heute in der Schweiz Nationalfeiertag ist, darauf müssen wir natürlich mit einem Rotwein anstoßen, können wir, da das kleine Lagerfeuer versehentlich sowieso ausgetreten wurde , da einer der Herren (meiner) darüber gestolpert ist, so gegen Mitternacht in der Koje verschwinden.

 

Die Grand Fête beginnt erst am Sonntag.


Samstag ist der Angeltag der Franzosen. Der von der Hotelpenische befreite Sportbootanleger ist belagert von Fischern. Außer einem Franzosen kommt aber kein anderes Boot, das anlegen will. Und auch der Franzose sucht sich einen anderen Platz nachdem er geduscht und seinen Wassertank gefüllt hat. Um halb fünf trifft erneut ein Kleinlaster und ein Schwarm Arbeiter ein. Sie stellen drei Zelte rund um die Tanzfläche auf. Wir wären nicht in Frankreich, wenn nur eine Zeltstange gerade wäre oder wenigstens die gleiche Richtung wie die anderen hätte und wenn die gelungene Aktion nach Beendigung nicht mit allseitiger Beglückwünschung und einem kleinen Umtrunk besiegelt würde.

Für die Grand Fête am Sonntag haben wir einen Logenplatz. Das kann ja heiter werden.

Sonntagmorgen acht Uhr fährt ein Lieferwagen vor, rangiert direkt neben uns. Bourgognes Paillard steht auf der Motorhaube, ein Hängel Weintrauben ist darauf abgebildet. Hoffnung keimt auf. Das Auto wird abgeschlossen, der Fahrer verschwindet mit einem dazugekommenen Anlieger, wahrscheinlich gehen sie erst mal frühstücken. Um Punkt zehn kommt ein Fahrzeug der commune de St.Leger. Fahrer und Beifahrer laden Tische und Bänke aus. Ehrenamtliche Helfer stehen rum. Alle haben die Hände in die Hüften gestemmt. Das Aufstellen, die Platzierung wird genau besprochen. Lautstark und gestenreich natürlich. Auto und Fahrer düsen ab. Machen Platz für einen Lieferwagen aus Louhans.

„Manfred, dein Abendessen ist gerettet, das ist bestimmt eine Hähnchenbraterei, denn Louhans ist die Hühnerstadt in der Bresse.“

Wohlgefälliges Knurren ist die Antwort. So sicher bin ich mir allerdings nach ein paar Minuten nicht mehr. Auf dem Auto steht: Transports express Frigorifiques. Ein bisschen hin und her rangieren bringt den Wagen endlich in eine günstige Position. Doch jetzt ist das Zelt im Weg. Also muss es um einen halben Meter versetzt werden. Alles packt mir an. Dann noch mal 10 cm, doch jetzt beäugt alles misstrauisch den Baum, irgendwie scheint sein Blattwerk im Weg. Man beschließt einstimmig, dass der Baum sich zu bescheiden hat und ein bisschen Gedränge ertragen muss. Die Erdnägel zum Befestigen der Zeltstangen werden neu eingeschlagen. Das Tischerücken kann weitergehen. Drei Mann arbeiten, fünf Mann debattieren, drei Mann stehen dabei und haben die Hände bis zum Ellbogen im Säckel.

Manfred und Luciano stehen natürlich auch wichtig rum, aber ihre Shorts sind zu tief unter den Bauch gerutscht und sitzen zu stramm, um die Hände in den Hosensäcken zu vergraben. Die Absperrgitter werden um das ehemalige Hafenbecken aufgestellt, das jetzt eh nur noch 50 cm Wasser hat. An der Kanalseite, wo das Wasser 1,80 m tief ist, passiert nichts. Kabeltrommeln werden ausgerollt.

Ein Dicker mit dem Gesichtausdruck eines magenkranken Heilbuttes, mit offenem Hemd, offenem Mund und Brüsten, dass ich ganz neidisch werde, umrundet mehrere Male kritisch das Geschehen.

 

Manfred lässt sich vom Vorbereitungseifer anstecken.

Unglücklich stellt er fest, dass er seine Wimpelkette nicht dabei hat, nur einzelne Länder- und Städtefahnen.

„Die Landratten können doch die einzelnen Länder überhaupt nicht von einander unterscheiden, binde doch einfach ein paar zusammen.“

Einige sind so groß wie bunte Betttücher. Besonders aufdringlich ist natürlich die blau-weiß-bayrische. Und entrüstet stellt er fest, dass Belgien in seinem Fundus überhand nimmt. Keine Burgundflagge, ein Trauerspiel!!

Über die Toppen geflaggt ähneln wir ziemlich einer fröhlich wedelnden Wäschespinne.

Während auf unserer Kanalseite geschäftig die Aktivitäten weitergehen, unterbrochen von kleineren Trink- und Palaverpausen, donnern auf der anderen Kanalseite die Teilnehmer des Stockcar-Rennens über die Landstraße nach St. Berain-sur-Dheune.

Die Zugfahrzeuge sind von völlig unterschiedlicher Beschaffenheit. Noble, spritfressende Allrader, neben uralten umgebauten Kleinlastern, deren Motoren im letzten Stadium einer Bronchitis keuchen, oder völlig gewöhnliche, unspektakuläre PKWs.

Alle schleppen das Stockcar.

Auch das hat die Jahre taufrischer Jugend längere Zeit hinter sich. Buntbetupfte Karosserien, zwerghohe Zahlen an den Seiten. Kotflügel, wenn denn überhaupt noch welche dran sind, denen man die grimmigen Versuche zu überleben ansieht. Und selbst auf die Distanz über den Kanal fühlt man die fiebrige Erregung der Bruchpiloten.

Endlich darf, ja muss man sogar, das, was man eigentlich immer tun müsste, die Langweiler, die Wegversperrer, die Schnecken und Kriecher, man darf sie rechts überholen, darf sie von der Fahrbahn schupsen, sie anrempeln und beschimpfen. Man kann ihnen den Vogel zeigen und aus den Fingern wahre Symbole des seelischen Stuhlgangs machen. Man darf endlich mal Autofahren, so wie ein echter, ein richtiger Franzose immer schon wusste, dass das die einzig richtige Art der Fortbewegung ist. Die Zählebigkeit der Vehikel führt zu tiefer, treuer Verbundenheit mit dem schrottreifen Blech.

Jedenfalls scheint die Party in St. Berain keinesfalls zu jenen Partys zu gehören, zu denen keiner geht.

Die Fortschritte unserer diesseitigen Party machen mich leicht depressiv und so verschwinde ich erst mal zu einem Mittagsschlaf, schleiche an Manfred vorbei, den die Hitze und die überaus stressige Beäugung der Festbeschicker bereits ins Traumland der gebratenen Tauben befördert hat. Um zwei reißen mich Musiktöne aus dem Schlaf.

>Oh, es passiert was.<

Leider war es nur der Fernseher, Manfred wartet auf den Beginn der Formel 1. Auf dem Festplatz ist ein Fortgang zu verzeichnen, aus einem Tisch wurde ein Verkaufsstand gemacht. Ausgepackt werden Kissen, Taschen, Stickereien, allerlei Krimskrams, nur nichts zu essen. Zwei alte Leutchen rollen eine Bastmatte aus, stellen geflochtene Körbe drauf und setzen sich neben dran. Am Paillard–LKW wird die Plane aufgerollt. Das Auto ist leer. Ein bisschen rumrangieren muss er allerdings. Nach einem Meter senkt sich das Zelt neben im verdächtig. Es knirscht und knerbelt. Geschrei!

Eine Wimpelkette ist an Zelt und LKW befestigt. Minutenlange Debatte mit erhobenem Zeigefinger. Die Wimpel werden abgehängt. Der LKW kann seinen Platz finden und die Band wird auf seiner Ladefläche aufgebaut. Mittlerweile stehen eine Gitterwand mit einer Bilddokumentation über St. Leger und den Kanal und ein Vorhangstand.

Buffet und Buvette war uns versprochen.

Keine Spur.
Wo ist die Dégustation ?
Es ist viertel vor vier, um halb vier soll die Veranstaltung beginnen. Ein paar Unentwegte sitzen schon an den leeren Tischen. Manfred einverleibt sich vorsichtshalber schon mal den Rest des Wurstsalats von gestern.
Um 10 vor vier setzt sich der Keyboarder in Position. Die Noten werden aufgeblättert. Ein paar Register werden noch gezogen. Um fünf vor vier legt die Musik los.
Zu essen und trinken gibt's immer noch nichts.
Ein bayrischer Schuhplattler ist das Eröffnungsstück. Es hat 37,7 ° im Schatten und die Franzosen sitzen völlig trocken unter dem Zelt in der Hitze. Der Transporter mit der Aufschrift: Transports express Frigorifiques, entpuppt sich als das, was er auch ist, ein Kühlwagen in dem die Getränke aufbewahrt werden.

Wenn's endlich was zu trinken gibt, können auch wir uns unters Volk mischen.
Manfred geht noch schnell mal für gebrauchte Getränke.
Die Toilette transportiert kein Wasser mehr. Erst wird mal ordentlich geflucht, dann wird die Mimik abgebaut, der Zufuhrschlauch aufgeschraubt. Der Ansaugstutzen ist heillos verstopft. Kein Tropfen Wasser kommt. Mit dem Vorschlaghammer und einem Schraubenzieher groß wie ein Brecheisen schlägt er die verklemmte Muschel aus der Öffnung.
Alles repariert, jetzt kann's losgehen.
Ich suche das Buffet, die Degustation der einheimischen Produkte, die Schnecken in Knoblauch, den Ziegen- und Schafskäse, Burgunderschinken, Schinken in Petersilienaspik und Pferdewurst.

Wo sind Rotweine und hausgemachte Obstbrände? Alles nix. Das einzig essbare auf dem ganzen Fest sind süße Waffeln. Asterix hätte gesagt: die spinnen die Gallier! Wenigstens macht die Musik sich bei mir beliebt mit Ruckizucki, Marina-Marina, dem Schneewalzer und vielen deutschen Stimmungsliedern, die ich natürlich lautstark mitschmettere, was mir leider einen Tanzantrag von einem Opa einbringt, der schon den ganzen Mittag als einziger Tänzer mit allen möglichen Opfern das Tanzbein schwingt.

Natürlich bin ich für ein Tanzvergnügen völlig richtig angezogen. Ein reines Wunder, dass ich mir nicht den Hals breche mit meinen ausgelatschten Bordschuhen. Aber Opa ist glücklich. Ganz auf galante Franzosenart macht er mir wohl unsittliche Anträge und lacht sich kugelig, als ich immer wieder betone: je ne pas compris, je ne pas parle francais.

Als der nächste Bewegungssüchtige anrückt, verziehe ich mich nach unten. Ich bin doch nicht als Hupfdohle in St. Leger e ngagiert .

Luciano ist tief gekränkt, dass es nichts zu knappern gibt. „ I hon mi extra nass g'schabt un mei wies Leible a doon.“

Um halb neun sagt der Musiker bonsoir und das war's dann. Die grand Fête du Canal du Centre. Ringelpiez im Altersheim ist eine bukolische Orgie dagegen. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, haben wir viel gelacht.


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