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Abstecher in die Heimat
Till , Sohn Nummer 1 ist wahrhaftig kein Frühaufsteher, doch wenn's gilt, ist er hellwach.
Als ich um halb zehn von der Charterstation komme, bei der ich uns verabschiedet und den Liegeplatz bezahlt habe, hat er schon über 500 km hinter sich und hilft cool und lässig seinem Vater unsere Habseligkeiten ins Auto zu laden. Manfred dreht den Schlüssel, nichts passiert. „Der springt ja gar nicht an, das geht ja schon gut los.“ Er sucht die Ganganzeige im Armaturenbrett. Schiebt den Joystick in jede Richtung. Endlich erscheint das „N“. Dreht den Schlüssel, nichts passiert. Ach, ja, bei Automatik muss man ja die Bremse treten. Tatsächlich, schon brummt der Motor. Es geht los. Irgendwas piepst wie verrückt. „Was piept denn da so irre?“ „Schnall dich an!“Plärrt er mich an. „ Ich bin angeschnallt. Ich schnalle mich immer an, bevor ich los fahre!“ Der Mann nervt. Mit der Linken lenkt er in den Kreisel, der Gurtwarner piepst, mit der Rechten sucht er nach dem Gurt. Ich sehe mich bereits im Chaussee-Graben. „ Mensch pass doch auf, das Auto brauch ich nächste Woche für die Ausstellung.“ Endlich ist er angeschnallt, das schrille Piepsen hört auf, da hat er schon wieder eine Hand am Knopf des Cabrio-Verdecks. Er dreht den Knopf im Kreis, rechts rum, links rum, wieder zurück, das Verdeck fährt zurück, fährt vor, wieder zurück. Streng stelle ich fest: „Du nimmst jetzt beide Hände ans Lenkrad und ich mache das Verdeck auf und zu.“ Knurrend kümmert er sich um die Schaltung, mit dem Joystick vor und zurück, dann mit den kleinen Hebeln am Lenkrad hoch und runter, alles muss ja ordentlich getestet werden. Mich reißt's bei jedem Schaltvorgang im Gurt vor und zurück, bis mir fast übel ist. „Mach das Verdeck zu, mir verschmilzt ja das Gehirn und die Sonne scheint mir hinter die Sonnenbrille.“ Also da kann ich absolut sicher sein, als Cabrio-Fahrer macht mein Spatzel keine Teenies an. Ein zauberhaftes kleines Auto, doch für Gruftis weder ein Jungbrunnen noch das Ei des Kolumbus. Am Montag fällt die EDV im Betrieb aus, ich kann keinem Interessenten mehr eine Finanzierung ausrechnen, die Datenübertragung, Internet und E-Mail sind platt. Um zwölf habe ich bereits mit drei säumigen Kunden telefoniert und eine kurze Betriebsversammlung hinter mir, um vier circa 30 Telefongespräche beantwortet, mich über die Begrüßung von mehreren Stammkunden gefreut und zwei neue Krankengeschichten angehört, um fünf habe ich mich mit unserem technischen Außendienst gezofft, um halb sechs stehe ich vor einem Nervenzusammenbruch. Ich weiß es, es sind die Menschen. Mit Menschen umzugehen ist etwas wunderbares und kann doch so schrecklich nervig sein. Der alte Knodderer, am ganzen Körper von einer Psoriasis blühend, hat es genossen stundenlang mit mir herum zu streiten und einen Gegner zu finden, der nicht klein bei und ihm Kontra gibt. Der junge Wasserpolizist hat es genossen am Telefon mit mir Wortgefechte auszuführen, zu feilschen und mehrere Händler gegeneinander auszuspielen. Am Ende hatten wir beide das Gefühl ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Seine hübsche Frau hat ein kleines Baby auf dem Arm, so winzig, dass ich sofort sage: „Das sieht ja aus wie frisch geschlüpft!“ „Er ist schon sechs Wochen alt, aber er kam sechs Wochen zu früh, so kann man sagen, dass er eigentlich erst drei Tage alt ist.“ Antwortet mir die Mutter gut gelaunt. Und genauso sieht der kleine Mann auch aus. Die kleine Familie findet ihr neues Auto einfach geil. So muss es sein. Dem kleinen Kreischhals der Tuppertante blieb buchstäblich vor Staunen die Spucke weg, als ich sie mit strengen Worten und erhobenem Zeigefinger aufforderte: „ Du hast jetzt Sendepause!“ Immerhin konnten wir zwischen zwei Plärrern den Kaufvertrag ausstellen. Dem schwarzhaarigen Zuckerpüppchen aus dem Hinterland konnte man nicht ansehen wie ehrgeizig und selbstbewusst sie ist. Sie wusste genau welches Auto zu ihr passt und hat gut gewählt. Das Ehepaar, das am Samstag das schönste Auto in unserem Laden gekauft hat, konnte sich gar nicht mehr von uns trennen, als ich unser Auslieferungszertifikat in die Windschutzscheibe gehängt habe: Auf dieses Auto freut sich Familie S. Mit rosa Sekt mussten sie immer wieder auf ihr Glück anstoßen. Die große Blonde, mit den klassischen Gesichtzügen einer nordischen Göttin hat einen Mann, dessen Aussehen an einen putzigen rothaarigen Kobold erinnert, ein Pärchen wie es unterschiedlicher nicht sein könnte aber unheimlich viel Harmonie ausstrahlt und sich freut wie Kinder über ihr neues Auto, das vielleicht erst in drei Monaten kommt. Voller Mitgefühl lasse ich mir das Elend und den Kampf mit dem Krebs einer Kundin erzählen, die ihren Sieg feiert in dem sie sich ihr Wunsch-Auto gönnt. Der flotte junge Architekt, der extra fast 50 km gefahren ist, weil ihm meine Stimme am Telefon schon so sympathisch war. Ein cleverer, fescher Bursche, wir haben geflirtet und geschäkert und er war happy, dass ich seinen Sohn so niedlich fand. Leicht hätte er vom Alter her mein Sohn sein können. Schwieriger war es mit meinem Universitätsprofessor. Seine Allwissenheit rangiert direkt neben Gottvater. Er hat den Charme und die Ausstrahlung eines Spazierstocks. Aber er hat eine zauberhafte Frau und eine bildschöne Tochter. Wir alle waren mit unserem hart erkämpften Geschäft zufrieden und mein Doktor Senkrecht krümmte sich vor Lachen, als ich ihnen die Geschichte unserer ersten Probefahrt im Pluriel mit viel gestenreichem Pathos erzählt habe. Also doch menschlich. Mit Menschen umzugehen ist spannender als jeder Krimi und unterhaltsamer als jeder Abenteuerroman. Zurück an Bord brauchen wir zwei Tage Entspannung und Ausschlafen, auch der kleine Nerv legt sich zur Ruhe, wir sind wieder unterwegs.
Der Todeskampf einer Treidel-Peniche in einem Seitenarm der Yonne. Ein großer Krieger stirbt nicht, er vergeht.
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